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1811er

Der Jahrgang 1811 war in vielen europäischen Weinbaugebieten außergewöhnlich und wird als bester der vergangenen drei Jahrhunderte zuvor bezeichnet. Unter anderem werden die Rotweine von Château Lafite-Rothschild (damals Château Lafite) und Château d’Yquem, ein Riesling vom Weingut Bassermann-Jordan sowie allgemein Tokajer genannt. Weine dieses Jahrgangs werden auch als „Napoleonwein“ bezeichnet, weil der Kaiser Napoleon (1769-1821) damals auf dem Gipfel seines Ruhms angelangt war. In diesem Jahr wurde auch sein Sohn Napoleon II. geboren. Ein Château d’Yquem dieses Jahrgangs wurde 2011 um € 85.000 verkauft und zählt zu den teuersten Weinen der Welt. Die Weine aus dem Jahr wurden auch als Jahrhundertweine tituliert. Im Volksmund wurde der Name Kometenwein geprägt, weil ein von Honoré Flaugergues (1755-1830) entdeckter Komet auftauchte, der zu den drei größten jemals gesichteten zählte; seine Schweiflänge betrug weit über 100 Mio Kilometer. Dem Kometen wurde Einfluss auf die herausragende Weinqualität zugesprochen.

Johann W. von Goethe / 1811er Komet über St. Goar und Burg Katz / Otto von Bismarck

Riesling Winkeler Hasensprung 1811

In Deutschland hatten die Traubenmoste nach erhaltenen Aufzeichnungen einen Zuckergrad von 80 bis 85 °Oechsle (16 bis 17 °KMW) und „wurden in Gold aufgewogen“. Hier wurde der Jahrgang als „Elfer“ (oder „Eilfer“) bezeichnet. So erwähnte ihn auch Johann W. von Goethe (1749–1832) in seinem Westöstlichen Diwan mit dem Vers: „In welchem Weine, hat sich Alexander betrunken, ich wette den letzten Lebensfunken: Er war nicht so gut als der meine“. An einer anderen Stelle reimt er: „Setze mir nicht, du Grobian, mir den Krug so derb vor die Nase! Wer mir Wein bringt, sehe mich freundlich an, sonst trübt sich der Eilfer im Glase“. Konkret ging es dabei um einen Riesling aus der Einzellage Winkeler Hasensprung (Rheingau) des Weinguts Brentano (die betreffenden Weinberge sind heute in Besitz des Weingutes Schloss Vollrads).

In einem erhaltenen Brief an das Weingut Bassermann-Jordan (Pfalz) aus dem Jahre 1820 bestellte Goethe einen 1811er für einen Kuraufenthalt. Es handelte sich dabei um ein Gewächs aus der Lage Forster Ungeheuer (Pfalz). Wahrscheinlich war dies kein sortenreiner Riesling, sondern ein damals weit verbreiteter Gemischter Satz aus den Sorten Riesling, Traminer und Orléans. Die Ursache der extremen Langlebigkeit wird den Tanninen der dickschaligen Orléansrebe zugesprochen. Die Wetterbedingungen in Deutschland waren in diesem Jahr überaus günstig für einen qualitativ hochwertigen Wein. Denn auf einen mäßig kalten Winter folgte bereits im Februar der Beginn eines trockenen und warmen Frühlingswetters, welches bis Mai anhielt. Der Sommer begann sozusagen bereits im Mai und ihm folgte ein warmer und überlanger Herbst.

Als weitere Gründe werden die damals übliche Ganztraubengärung, eine starke Schwefelung, ein langer Fassausbau, sowie die Wurzelechtheit genannt. Weine aus der Prä-Phylloxera-Zeit (vor der Reblaus) sollen wesentlich extraktreicher gewesen sein. Zwei Begebenheiten bezeugen die Langlebigkeit. In einem Brief aus dem Jahre 1883 bedankte sich der preußische Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck (1815-1898) beim Weingut Bassermann-Jordan für die Übersendung eines Rieslings aus der Lage Ungeheuer anlässlich seines Geburtstages. Und bei einer Weinverkostung vor auserlesenem Publikum im Jahre 1999 (also 186 Jahre alt) wurde so eine Flasche nicht nur als genießbar, sondern als phänomenal bewertet. Im Keller von Bassermann-Jordan befinden sich übrigens heute noch Bestände von 1811. Das nächste Jahr 1812 erbrachte nur geringe Weine und 1813 war sogar extrem schlecht. Angeblich wurde nach einem frostigen Winter 1813/1814 der erste Rheingauer Eiswein gekeltert.

Château Haut-Brion 1811

Eine besondere Geschichte gibt es über fünf Flaschen Château Haut-Brion 1811. Der US-Bankier Henry Sturgis Morgan (1900-1982) besuchte im Jahre 1931 das berühmte Pariser Restaurant „Tour de l’Auberge“. Der Besitzer macht für ihn eine Sonderführung in den Weinkeller des Hauses und zeigte ihm dort seine kostbarste Rarität, nämlich die erwähnten fünf Flaschen. Morgan wollte diese Kreszenzen um jeden Preis erwerben, doch der Besitzer bezeichnete sie als unverkäuflich. Kurz nach der Abreise von Morgan aus Paris musste der Restaurantsbesitzer mit Entsetzen feststellen, dass zwei der Flaschen fehlten. An deren Stelle fand er einen Brief Morgans vor: „Es tut mir leid, ich musste Ihren Haut-Brion haben. Bitte bestimmen Sie den Preis, ein Blankoscheck liegt bei.“ Dieb war ein Leibwächter Morgans, ein ehemaliger Gangster. Der Scheck ist in der Kuriositäten-Sammlung des Hauses aufbewahrt, die eingetragene Summe wurde jedoch nie kolportiert. Siehe auch unter Rekorde.

Goethe: Von Joseph Karl Stieler, Gemeinfrei, Link
Bismarck: Von Franz von Lenbach, Gemeinfrei, Link

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Prof. Dr. Walter Kutscher

Früher benötigte man eine Fülle an Lexika und Fachliteratur, um im vinophilen Berufsleben up to date zu sein. Heute gehört das Weinlexikon von wein.plus zu meinen besten Helfern, und es darf zu Recht als die „Bibel des Weinwissens“ bezeichnet werden.

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