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Liebfrauenmilch

Historischer Markenwein aus Deutschland. Erstmals wurde die „berühmte Lieben Frauen Milch zu Worms“ im Jahre 1744 erwähnt. Damals durfte diese Bezeichnung nur verwendet werden, wenn die Trauben in dem Bereich „soweit der Turm der Liebfrauenkirche seinen Schatten werfe“ wuchsen. Gemeint waren damit die Weingärten des Kapuzinerklosters „Stiftskirche Liebfrauenkirche“ in Worms in Rheinhessen. Leider wurde aber später dieser geographisch eng begrenzte Begriff auf alle Rheinweine ausgedehnt und damit die Herkunft verwässert. Im Zuge der Napoleonischen Säkularisation wurde 1808 der noch erhaltene Teil des Klosters und Großteil der Originalweinberge vom Wormser Bürgermeister Peter Joseph Valckenberg (1764-1837) erworben. Durch Beschluss der Wormser Weinhändler wurde im Jahre 1908 der Name auf „Liebfrauenstift“ geändert und später durch „Kirchenstück“ ergänzt. Die historische Einzellage heißt seitdem Wormser Liebfrauenstift-Kirchenstück.

Liebfrauenstift in Worms mit Rebflächen - Peter Joseph Valckenberg

Bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Liebfrauenmilch in alle Welt verkauft und entwickelte sich zu einem wichtigen Exportartikel. Der in den Anfängen vorwiegend aus Riesling gekelterte Wein stand bis Ende des 19. Jahrhunderts für ausgezeichnete Qualität und zählte zu den besten und teuersten deutschen Weinen und auch Europas, der auf den Getränkekarten der bedeutendsten Bankette und Restaurants zu finden war. Prominente Liebhaber waren unter anderem der englische Schrifsteller Charles Dickens (1812-1870) und Mitglieder des britischen Königshofes. Der Wein aus dem Kernstück weist einen rauchigen Geschmack auf, der von dem Holzhäuserschutt aus dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) herrührt. Damals wurde der Schutt aus der Stadt um die Liebfrauenkirche abgelagert und darauf Weinberge errichtet.

Dann kamen vor allem im Ausland immer mehr Fälschungen auf den Markt. Damals waren nicht nur bei der Liebfrauenmilch Weinverfälschungen weit verbreitet und zu dieser Zeit auf Grund noch nicht bekannter chemischer Analysen auch relativ schwer nachweisbar. Der einstige Spitzenwein verkam zu einem billigen, lieblich bis süß vinifizierten Massenwein einfachster Qualität, der auch in Großflaschen oder Bag-in-Box-Kartons abgefüllt wurde. Besonders in den angelsächsischen Ländern und in Russland wurde er ungemein populär, trug aber zu einem schlechten Image des deutschen Weins bei. In den 1980er-Jahren machte er ungefähr 60% der deutschen Exportmenge aus, heute sind es immer noch rund ein Drittel.

Sketch im dänischen Magazin Ravnen 1901 / Etikett Valckenberg

Die Firma Valckenberg besitzt heute den Großteil der historischen Weingärten rund um die Liebfrauenkirche. Sie hat auch das alleinige Recht auf den Liebfrauenmilch-Markennamen „Madonna“. Den Rest teilen sich die Weingüter Gutzler Gerhard, Schembs Arno und Spohr, welche ebenfalls Weine unter der klassischen Herkunftsbezeichnung „Wormser Liebfrauenstift-Kirchenstück“ vermarkten (auf dem Etikett wird man aber bei letzteren drei die Bezeichnung „Liebfrauenmilch“ nicht finden). Der Name „Liebfrauenmilch“ oder „Liebfraumilch“ hingegen dient als regionale Herkunftsbezeichnung. Der Wein darf heute aus Weintrauben der vier Anbaugebiete Nahe und Rheingau, sowie zum Großteil Pfalz und Rheinhessen produziert werden.

Es müssen zumindest 70% der Weißweinsorten Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner oder Kerner frei verwendbar enthalten sein; es überwiegt aber Müller-Thurgau. Das Aroma muss die typische Frucht einer dieser Sorten erkennen lassen, die jedoch nicht auf dem Flaschenetikett angeführt sein dürfen. Der Restzuckergehalt muss zumindest 18 g/l (lieblich bzw. halbsüß) betragen. Weitere bekannte Liebfrauenmilch-Marken neben „Madonna“ sind „Blue Nun“ (Blaue Nonne) von der Firma Sichel in Mainz und früher „Black Tower“ von Reh Kendermann in Bingen. Ab Mitte der 1990er-Jahre begann eine kleine Gruppe rheinhessischer Winzer Qualitätsweine zu keltern, die dem traditionsreichen Namen „Liebfrauenmilch“ wieder Ehre machen.

Liebfrauenkirche: Von NN - Eigene Sammlung, PD-alt-100, Link
P. J. Valckenberg: Von zeitgen. Maler, Stadt Worms , Gemeinfrei, Link
Cartoon: Von Th. J. - Ravnen, Gemeinfrei, Link 

Stimmen unserer Mitglieder

Dr. Christa Hanten

Für meine langjährige Tätigkeit als Lektorin mit wein-kulinarischem Schwerpunkt informiere ich mich bei Spezialfragen immer wieder gern im Weinlexikon. Dabei führt spontanes Lesen und das Verfolgen von Links oft zu spannenden Entdeckungen in der weiten Welt des Weins.

Dr. Christa Hanten
Fachjournalistin, Lektorin und Verkosterin, Wien

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