Wirkung eines Mittels (lat. adstringens), durch dessen Inhaltsstoffe Hautgewebe oder Schleimhäute zusammengezogen werden (lat. adstringere = zusammenziehen). Das Adstringens geht mit den Eiweißen der Haut und der Schleimhäute Verbindungen ein, die eine Schutzwand (Membran) bilden. In der Medizin werden solche Mittel wie Alaun verwendet, um Blutungen zu stoppen, wobei dieser Stoff auch antibakteriell und antiseptisch wirkt. Im Rahmen einer Weinbewertung wird unter adstringierend ein Empfindungs-Komplex verstanden, der sich durch einen rauen, die Mundschleimhaut austrocknenden bzw. „den Mund zusammen ziehenden“ Effekt äußert. Dies wird durch hohe Gehalte von Gerbstoffen (Phenole, Tannine) verursacht, die besonders in den holzigen Teilen von Früchten wie Stielen, Hülsen, Schalen und Kernen vorkommen. Das sind zum Beispiel Artischocken, Granatäpfel, Mandeln, Kakipflaumen, Kastanien, grüne Nüsse, Schlehen, Walderdbeeren und anthocyanreiche (farbstoffreiche) Rebsorten. Letztere weisen wie die im Bild gezeigten zumeist eine dunkle (schwarze) Beerenfarbe auf.
Diese Empfindungen werden über entsprechende Rezeptoren haptisch (aktiv = berührend) bzw. taktil (passiv = berührt werden) wahrgenommen. Die adstringierenden Stoffe rufen ein Zusammenziehen des organischen Gewebes im Mundraum hervor, unterbinden die Speichel-Sekretion und bewirken dadurch eine aufrauende Wirkung an den Schleimhäuten. Es handelt sich dabei aber (obwohl es so scheint) um keine Geruchs- oder Geschmacks-Empfindung, sondern um einen taktilen bzw. trigeminalen Reiz (den Tastsinn betreffend) an den Schleimhäuten der Wangen-Innenseiten und der Nasenhöhle. Dies darf aber nicht mit bitter oder sauer verwechselt werden. Das Ausmaß ist auch von der Weintemperatur abhängig und wird bei kühlerem Wein stärker wahrgenommen. Das kann von schwach über aufdringlich bis zum negativen aggressiv reichen.
Das Bild zeigt die menschliche Haut mit den die Empfindungen haptisch (aktiv = berührend) bzw. taktil (passiv = berührt werden) aufnehmenden Rezeptoren (3, 4 und 5): 1 = Schweißpore, 2 = Muskel, 3 = Schmerz, 4 = Berührung, 5 = Druck. Hingegen wird der Geschmack gustatorisch (schmeckend) und der Geruch olfaktorisch (riechend) wahrgenommen.
Adstringenz ist in der Regel hauptsächlich ein Merkmal junger Rotweine. Der Eindruck kann sich bei der Flaschenreifung bzw. beim Alterungsprozess deutlich mildern und durch das Ausfällen der verursachenden Stoffe sogar völlig verschwinden. Der adstringierende Effekt wirkt bei säurearmen Rotweinen zumeist positiv und kann auch den Appetit anregen. Bei Weißweinen ist hingegen eine Adstringenz in der Regel eine unerwünschte negative Eigenschaft und wird als phenolisch bezeichnet.
Siehe zum Themenkomplex auch unter den Stichwörtern Geruch, Geschmack, Trinkkultur (Antike bis Jetztzeit), Weinansprache (Beschreibung), Weinbewertung (Beurteilung), Weinbereitung, Weingenuss und Wein zu Speisen.
Rebsorten: Ursula Brühl, Doris Schneider, Julius Kühn-Institut (JKI)
Hand: PNGWING
Haut (bearbeitet): von Sgbeer - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Weingläser: von Photo Mix auf Pixabay
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Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach