Beginn des jährlichen Vegetationszyklus der Weinrebe nach der Winterruhe (siehe dazu auch unter BBCH-Code). Dabei brechen bei einer durchschnittlichen Tagestemperatur von 8 bis 10 °Celsius jene Augen (Winterknospen) auf, die beim winterlichen Rebschnitt bewusst stehen gelassen wurden. Man kann dies schon einige Zeit vorher erkennen, denn mit dem kommenden Frühling und aufgetautem Boden beginnen die Wurzeln Pflanzensaft in den oberirdischen Teil des Rebstocks zu pumpen, so dass an den Schnittstellen von abgeschnittenen Trieben Wassertröpfchen austreten (der Rebstock „blutet“). Mit zunehmender Wärme schwellen die Knospen sichtbar an, bis die holzigen Knospenschuppen aufbrechen und ein filzig kugeliges Haargeflecht sichtbar wird, das die darunter liegende Triebspitze zunächst noch vor äußeren Einwirkungen wie Sonne und Regen schützt.
Durch Schub von unten schwillt dieser weiß- oder rostfilzige Haarfilz weiter an, bis aus der Haarkrone der grüne neue Trieb hervorbricht. Dieser ist zunächst noch ganz kompakt mit kleinen übereinander gefalteten Blättchen, die sich aber rasch abspreizen und in der Blattfläche größer werden, während der Trieb ins Längenwachstum übergeht. Der genaue Zeitpunkt des Austriebes hängt vom Makro- und Mikroklima des Weinbergs wie auch von den spezifischen Eigenschaften der Rebsorte ab. Er erfolgt auf der nördlichen Halbkugel von März bis April sowie auf der südlichen Halbkugel von Oktober bis November. Ein kaltes Frühjahr kann den Zeitpunkt und den Fortschritt des Wachstums um mehrere Wochen verzögern. Bis zur Ausbildung neuer Blätter ernährt sich der Rebstock von dem im Herbst in Stamm und Wurzeln gespeicherten Kohlenhydratvorräten. Wenn dann die Blätter voll entwickelt sind, erfolgt die Zuckerversorgung wieder über die Photosynthese.
Fünf bis sieben Wochen nach dem Augenaustrieb, wenn vom jungen Trieb eine bestimmte Anzahl von Blättern gebildet wurde, beginnt in den fürs nächste Jahr neu angelegten Blattachselknospen die Entwicklung der Blütenanlagen für das Folgejahr. Das bedeutet, die Anzahl der Gescheine (Blütenstände) eines Triebes und die Anzahl der Blüten je Geschein bereits im Frühling des Vorjahres festgelegt wird. Die botanische Bezeichnung für diesen Vorgang lautet Initiation. Schon im Hochsommer sind diese ruhenden Augen (Winteraugen) so weit ausgebildet, dass sie austreiben könnten, was aber durch Hemmstoffe verhindert wird. Das kann man durch folgendes einfaches Experiment demonstrieren: Wenn man die Triebspitze und die Geiztriebe eines Triebes entfernt, treiben diese Winteraugen bald darauf aus. Die nächste Entwicklungsphase der Weinrebe nach dem Austrieb ist die Blüte. Eine Aufstellung rebsortenspezifischer Stichwörter ist unter Weinrebe enthalten.
Für meine langjährige Tätigkeit als Lektorin mit wein-kulinarischem Schwerpunkt informiere ich mich bei Spezialfragen immer wieder gern im Weinlexikon. Dabei führt spontanes Lesen und das Verfolgen von Links oft zu spannenden Entdeckungen in der weiten Welt des Weins.
Dr. Christa Hanten
Fachjournalistin, Lektorin und Verkosterin, Wien