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Lexikon
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Biologischer Weinbau

organic wine production (GB)
Weitere Informationen: Rahmenvertrag Biozertifizierung

Unter Biologischem, Ökologischem oder auch Biologisch-Ökologischem Weinbau versteht man zum Teil recht unterschiedliche Produktionsformen für die Herstellung von Weintrauben und Wein auf der Grundlage möglichst naturschonender Maßnahmen unter Berücksichtigung von Erkenntnissen bezüglich Ökologie und Umweltschutz. Im Jahre 2021 veröffentlichte die OIV Zahlen zur Entwicklung des biologisch/ökologisch zertifizierten Weinbaus. Dieser hat im Zeitraum von 2005 bis 2019 um rund 13% pro Jahr zugenommen. Die bewirtschaftete Weinbaufläche beträgt weltweit rund 450.000 Hektar, das entspricht rund 6% der Gesamtfläche. Es dominieren europäische Länder wie Italien und Österreich mit 15%, Frankreich mit 14% und Deutschland mit 8%. Auf Spanien, Frankreich und Italien entfallen zusammen 75% Prozent der weltweit biologisch bewirtschafteten Rebflächen. 

Umstellung auf biologische Bewirtschaftung

Bei einer Neuorganisation der Bewirtschaftung, wie z. B. einer Umstellung auf biologische Methoden, sind entsprechende Maßnahmen zu überlegen. Der planmäßige Aufbau einer Rebfläche bzw. das Pflanzen von Rebstöcken unter Einhaltung aller Gesetze, Beachtung aller Kriterien und die erforderlichen Maßnahmen sind detailliert unter Rebenaufbauplan beschrieben.

konventionelle Agrochemie

Bis zu den 1950er-Jahren war es weltweit üblich, im Kampf gegen Schaderreger massiv chemische Mittel einzusetzen, weil man noch wenig über die negativen Auswirkungen wusste. Ebenso trägt auch der Klimawandel zu negativer Entwicklung bei. Die konventionelle Agrochemie heutiger Ausprägung mit einem großflächigen Einsatz von synthetischem Dünger und Pestiziden im Kampf gegen Schädlinge wie Insekten, Unkraut und Mikroorganismen ist ab den 1980er-Jahren zunehmend in die Kritik geraten und wird als unvereinbar mit Nachhaltigkeit und ökologischer Landwirtschaft betrachtet. Eine Radikalabkehr dieser Praktiken ist aber kurzfristig auch aufgrund von Ernteausfällen kaum realistisch. Der gezielte und wohldosierte Einsatz von modernen Agrochemikalien kann helfen, Ernteausfälle und damit den Welthunger zu bekämpfen. 

Biologischer Weinbau - Erdkugel mit Blättern und Begrünung im Weinberg

Begriffsdefinitionen

Verwirrenderweise gibt es viele ähnliche Begriffe wie biologisch, ökologisch, kontrolliert ökologisch, kontrolliert biologisch, biologischer Land/Weinbau, ökologischer Land/Weinbau, biologisch-organisch, biologisch-dynamisch und bioenergetisch. Es gibt jedoch keinen inhaltlichen oder rechtlichen Unterschied zwischen „Bio“ und Öko“, die beiden Begriffe werden synonym benutzt. Beide sind im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Futtermitteln sowie landwirtschaftlichen Rohwaren, die nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus erzeugt und verarbeitet werden, geschützt. Alle Ableitungen und Verkleinerungsformen wie „Bio-“ und „Öko-“, alleine oder kombiniert, können dabei vorkommen.

Vorsicht ist geboten bei den Kennzeichnungen „aus kontrolliertem Vertragsanbau“, „extensiv“, „Integrierter Landbau", „kontrolliert“, „naturnah“, „umweltschonend“ oder „unbehandelt“ bzw. sinngemäß verwendeten Formulierungen. Diese Begriffe weisen nicht auf eine Produktion oder Verarbeitung im Sinne des ökologischen Landbaus hin. Zur Klarstellung bzw. Unterscheidung eine kurze Definition der Begriffe:

biologisch

Biologie (bios = Leben) ist die Wissenschaft der Lebewesen als Teilgebiet der Naturwissenschaften, die sich mit allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, Besonderheiten, Organisation und Entwicklung sowie Strukturen und Prozessen befasst.

ökologisch

Die Ökologie (oikos = Haus, Lehre vom Haushalt) ist eine Teildisziplin der Biologie, welche die Beziehungen der Lebewesen mit deren unbelebten Umwelt erforscht. Der Begriff hat sich zum Synonym für „Umwelt“ bzw. „Umweltschutz“ entwickelt. Ein salopper Vergleich zwischen biologsich und ökologisch ist: Biologisch heißt, dass keine chemische Keule benutzt wurde, und ökologisch heißt, dass zusätzlich noch die Umwelt geschont/gefördert wurde.

organisch

Ein Organ oder den Organismus betreffend, der belebten Natur angehörend; mit etwas eine (harmonische) Einheit bildend. Das heißt, dass bei der Bewirtschaftung auf diesen sensiblen Zusammenhang Rücksicht genommen wird.

biodynamisch

Der Begriff tauchte 1980 erstmals im Duden auf. Er wird hauptsächlich im Biodynamischen Weinbau verwendet und bedeutet „nur organische Düngemittel einsetzend, nur mit solchen Mitteln (Naturmitteln) behandelt bzw. gedüngt“. Es gibt dabei auch nicht unumstrittene Techniken wie Berücksichtigung der Mondphasen oder Planeten-Konstellationen.

bioenergetisch

Die Bioenergetik (bios = Leben, energeia = Wirksamkeit) als Teilgebiet der Biologie, Biophysik und Biochemie, die sich mit Energieumwandlungen in Organismen beschäftigt. Der Begriff wird im Bioenergetischen Weinbau verwendet. Es gibt dabei auch nicht unumstrittene Techniken wie Musik bei der Weinbereitung.

integriert

Bedeutet im Zusammenhang mit bestimmten Verfahren die Einbindung einzelner Maßnahmen wie Integrierter Pflanzenschutz (KIP/IP). Es handelt sich also auf einen bestimmten Zweck abgestimmtes Maßnahmenpaket.

kontrolliert

Die Einhaltung der Richtlinien wird regelmäßig von zuständigen staatlich konzessionierten und/oder privaten Institutionen bzw. Verbänden kontrolliert.

sonstige Begriffe

Darüber hinaus gibt es auch noch die zum Teil inflationär verwendeten Begriffe „umweltschonender“, „umweltbewusster“, „naturnaher“ oder „nachhaltiger Weinbau“. Sie bedeuten eine Vorgangsweise nach bestimmten aber häufig nicht eindeutig definierten ökologischen bzw. biologischen Gesichtspunkten und werden manchmal auch als Synonym für Integrierten Pflanzenschutz verwendet. Es sind aber nicht so sehr die Bezeichnungen von Bedeutung, sondern vielmehr die einzelnen Richtlinien und Maßnahmen im Detail, die darunter zusammengefasst sind. Denn wenn ein Weingut auf der Website sich als „umweltbewusster, naturnaher Betrieb“ deklariert, sagt das alleine noch nicht aus, welche Maßnahmen das sind.

Bio-Zertifizierung und Kontrolle

Mit einer Zertifizierung als Biobetrieb durch eine konzessionierte Institution ist klar und eindeutig nachzuvollziehen, welche Richtlinien Gültigkeit haben. Bei solchen Betrieben sind damit vor allem die Weingartenbewirtschaftung, aber ebenso die Kellertechnik und zum Teil auch vor- und nachgelagerte Produktionsprozesse definiert. Im Zusammenhang damit ist der Begriff Nachhaltigkeit entstanden. Darunter versteht man eine Vorgangs- bzw. Lebensweise, welche die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich wieder regenerieren können ohne Raubbau an der Natur zu betreiben. Ein wesentlicher Bestandteil als unbedingte Voraussetzung für ein stabiles Ökosystem ist die Erhaltung der Artenvielfalt, die mit dem populär gewordenen Begriff Biodiversität bezeichnet wird. Dem wird durch entsprechende Maßnahmen im Pflanzenschutz gegen Krankheiten und Schädlinge und bei der Düngung Rechnung getragen.

Biowein - EU-Siegel und Weintraube

Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel

Ein wichtiges Kriterium ist eingeschränkte Verwendung bis Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel (Pestizide) und stattdem von Pflanzenstärkungs- bzw. nur zugelassenen Mitteln. Bei der Schädlings-Bekämpfung werden umweltschonende Verfahren wie Verwirrmethode mit Pheromonen oder Nützlinge eingesetzt. Für die Bodenpflege werden keine Herbizide und stattdem synthetisch hergestellter Stickstoffdünger, leicht lösliche Phosphordünger und zugelassene Mineraldünger verwendet. Bei den Bio-Produktionsformen sind alle synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmittel grundsätzlich verboten. Die Gründüngung bzw. Begrünung ist ein wesentlicher Bestandteil der Bodenpflege.

Verzicht auf kellertechnische Verfahren

Häufig sind die Maßnahmen mit besonders niedrigen, qualitätssteigernden Erträgen verbunden (wobei aber nur die normalen weingesetzlichen Vorgaben gelten, ohne strengere Maximalerträge). Auch auf bestimmte kellertechnische Maßnahmen bzw. Mittel wird oft verzichtet. Die Gärung wird von vielen Produzenten möglichst durch weinbergseigene, natürliche Hefen in Form einer so genannten Spontangärung durchgeführt, was aber ebenfalls keine unbedingte Vorgabe ist. Der Einsatz von Schwefeldioxid wird möglichst niedrig gehalten. Außerdem werden zunehmend sogenannte PIWI-Sorten (pilzwiderstandsfähig) bevorzugt, weil dadurch der Einsatz umweltbelastende Fungizide zumindest eingeschränkt wird.

Pionier-Biobetriebe

Es gibt aber keine in allen Ländern bzw. bei den dafür zuständigen Bioverbänden allgemein gültigen Richtlinien, da noch sehr viel experimentiert wird. Es sind auch nicht zwangsläufig Spitzenweine zu erwarten. Dass aber ein unter solchen Bedingungen erzeugter Wein Spitzenqualität sein kann, beweisen die Weingüter Château de Beaucastel und Château Rayas (Rhône) sowie Château La Roche-aux-Moines (Loire) mit dem Kultweißwein Coulée-de-Serrant. Im US-Bundesstaat Kalifornien zählen die Weingüter Fetzer und Mondavi zu den Pionieren. Aber auch in Deutschland, Griechenland, Kroatien, Österreich, Südtirol (Italien), Portugal, Spanien, der Schweiz und auch in anderen EU-Ländern gibt es viele Biobetriebe mit ausgezeichneten Weinen.

Biowein-Qualität

Ein biologisch-ökologisch orientierter Weinbau eines Produzenten mit auch noch so strengen, selbst auferlegten Richtlinien bedeutet aber nicht zwangsläufig einen Biowein (Ökowein). Natürlich reicht ebenso eine rustikale Weinbereitung wie beim Natural Wine oder Orange Wine nicht aus. Voraussetzungen für die Deklarierung als Biowein sind die Zertifizierung als Biobetrieb, sowie Beachtung der Produktionsregeln. Seit dem Jahre 2012 gibt es eine erweiterte EU-Öko-Verordnung. Diese enthält gegenüber früher Richtlinien nicht nur für die Weingarten-Bewirtschaftung, sondern auch für die kellertechnischen Maßnahmen sowie Grenzwerte bestimmter Stoffe für Weine dieses geschützten Namens.

EU-Öko-Verordnung

Die Produktion, die Verarbeitung, die Kontrolle und der Import von Bio-Produkten werden von der EU-Öko-Verordnung geregelt. Die darin enthaltenen Richtlinien sind die Basis für eine Zertifizierung mit jährlichen Kontrollen als „Biobetrieb“. Dies erfolgt durch staatlich zugelassene Bio- bzw. Öko-Kontrollstellen, die auch die Einhaltung angekündigt prüfen, aber unangekündigt auch Stichprobenkontrollen vornehmen. Nur solche zertifizierten Betriebe dürfen Bioweine (Ökoweine) produzieren, bzw. diese mit dem Biosiegel der EU sowie gegebenenfalls zusätzlich mit einem Verbandssiegel als solche kennzeichnen. Eine Mitgliedschaft bei einer der vielen Bioverbände wie z. B. DEMETER ist aber nicht zwingend.

Es gibt weltweit unzählige Bioverbände und noch viel mehr Bio-Gütesiegel. In Österreich sind derzeit mehr als 100 verschiedene Bio-Gütesiegel in Verwendung. Manche dieser Kennzeichnungen werden von staatlichen Stellen vergeben, manche von Arbeitsgemeinschaften und Bioverbänden, andere wiederum sind spezielle Eigenmarken großer Supermarktketten wie zum Beispiel „AMA“ (Agramarkt Austria) oder „JA! NATÜRLICH“ (REWE-Gruppe). Die Grundvoraussetzung ist die Einhaltung der Mindeststandards der EU-Öko-Verordnung, um die erzeugten bzw. vermarkteten Produkte als „Bio“ kennzeichnen zu dürfen.

Biokennzeichnung

Bioweine werden durch das EU-Bio-Siegel und/oder durch Namen des Bioverbands, dessen Mitglied der Betrieb gegebenenfalls ist, gekennzeichnet. Diese Bio-Verbände (siehe eine Aufstellung unten) haben durchwegs erweiterte, zum Teil noch strengere Anforderungen. Die Betriebe bzw. Weine müssen zusätzlich zu den EU-Öko-Richtlinien die Standards dieser Verbände erfüllen, um auch ein Verbandszertifikat zu erlangen. Auch hier gibt es regelmäßige Kontrollen und bei positivem Ergebnis eine Bestätigung der Zertifizierung. In der Regel übernehmen aber die staatlichen Bio/Öko-Kontrollstellen auch die Kontrollen nach den Richtlinien der Bioverbände. Eine Bioverbands-Zertifizierung ist aber ohne eine EU Öko-Zertifizierung nicht möglich.

Biologische/Ökologische Produktionsformen

Es gibt verschiedene biologisch-ökologische Produktionsformen, die sich von den Grundsätzen her sehr ähnlich sind, im Detail aber bezüglich Philosophie und durch einzelne Richtlinien/Maßnahmen unterscheiden. In einigen Quellen werden Biodynamischer Weinbau und Bioenergetischer Weinbau auch als ein System betrachtet:

Natural Wines

Ab den 1980er-Jahren sind die neuen Begriffe Natural Wine (was allgemein als Überbegriff gilt), Orange Wine, Raw Wine, Alternativwein und auch andere länderspezifische Bezeichnungen entstanden, die fälschlicherweise oft als gegenseitige Synonyme verwendet werden. Das sind Weine, die nach nichtinvasiven Grundsätzen mit möglichst wenig Eingriffen oft auf Basis von Methoden des Biologischen Weinbaus produziert werden. All diese Weine haben jedoch (noch) keine weinrechtliche Bedeutung und sind in den einzelnen Ländern auch unterschiedlich geregelt.

Pflanzenschutzformen

All diese Produktionsformen beinhalten unter anderem Pflanzenschutz-Maßnahmen sehr ähnlicher Art in zum Teil unterschiedlicher Ausprägung, aber derselben Zielrichtung bezüglich größtmöglicher Schonung der Umwelt (die vier Stichwörter über Pflanzenschutz beinhalten detaillierte Informationen in dieser aufbauenden Reihenfolge):

Bio-Verbände und Institutionen

Es gibt weltweit viele Verbände und Institutionen mit biologisch/ökologisch orientierten Richtlinien mit ähnlichen Zielsetzungen, jedoch zum Teil doch unterschiedlichen Methoden:

Buiverbände - alle Logos

weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen im Detail zum komplexen Themenkreis gibt es unter folgenden Stichwörtern, auf die oben bereits mehrmals hingewiesen wurde:

Weinglossar Fragen: what?, who?, whre?, when?, how?, why?

Erdkugel: von Gerd Altmann auf Pixabay
Begrünung: Von Martin Mehofer - Eigenes Werk, CC BY 3.0 at, Link 
Weintraube: Bild von Free-Photos auf Pixabay 
Biosiegel: Von Dusan Milenkovic, EU, Gemeinfrei, Link

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Thorsten Rahn

Das Weinlexikon hilft mir, auf dem Laufenden zu bleiben und mein Wissen aufzufrischen. Vielen Dank für dieses Lexikon das an Aktualität nie enden wird! Das macht es so spannend, öfter vorbeizuschauen.

Thorsten Rahn
Restaurantleiter, Sommelier, Weindozent und Autor; Dresden

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