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Der aus dem Königreich Württemberg stammende Adelige Joseph-Jacob-Placide Bollinger (1803-1884) trat im Jahre 1822 in die Chamapgner-Firma Müller-Ruinart ein. Bis 1829 war er äußerst erfolgreich als Handelsvertreter in Deutschland tätig. In diesem Jahr gründete er mit zwei Partnern das berühmte Champagnerhaus in Aÿ in der Nähe der Stadt Reims, das damals als Renaudin-Bollinger firmierte. Der Graf und Admiral Athanase-Louis-Emmanuel de Villermont (1763-1840) war im Weinhandel tätig und brachte umfangreichen Weinbergsbesitz ein. Der dritte war der ebenfalls vorher bei Müller-Ruinart als Handelsvertreter tätige Paul Renaudin, der aber die junge Firma wenig später wieder verließ. Da der Graf namentlich nicht erwähnt werden wollte, hieß die Firma fortan Bollinger. Er nannte sich nun Jacques Bollinger und heiratete im Jahre 1837 Louise-Charlotte de Villermont, die Tochter des Grafen. Schon ab dem Jahre 1865 wurde Champagner nach England exportiert und ab dem Jahre 1884 wurde das Haus der Hoflieferant für Königin Viktoria (1819-1901) und mit dem „Royal Warrant“ ausgezeichnet.

Nach dem Todes des Gründers führten die Söhne Joseph und Georges das Geschäft erfolgreich weiter und erwarben zusätzliche Weinberge um Bouzy, Louvois, Tauxieres und Verzenay. Im Jahre 1918 übernahm ein Enkel des Gründers mit gleichem Namen Jacques Bollinger (1894-1941) die Leitung des Unternehmens. Nach dessen frühem Tod übernahm seine Witwe Elisabeth „Lily“ Bollinger (1899-1977) während der deutschen Besatzung die Geschäfte. Die Wehrmacht beschlagnahmte nicht nur das Gebäude des Unternehmens, sondern auch 178.000 Flaschen des vorrätigen Champagners. Dieser wurde jedoch trotz der schwierigen Umstände weiterhin produziert. Die legendäre Madame leitete dann vier Jahrzehnte lang die Geschicke des Hauses. Unter ihrer Führung wurde die Produktion verdoppelt. Sie war bis ins hohe Alter mit dem Fahrrad in ihren Weingärten unterwegs.

Elisabeth „Lily“ Bollinger auf dem Fahrrad in den Weingärten unterwegs

Im Jahre 1971 übertrug Madame Bollinger die Leitung des Unternehmens auf ihren Neffen Claude d’Hautefeuille (1913-2000). Ein Jahr vor ihrem Tod wurde ihr vom französischen Staat der Orden „Ordre National du Merit“ verliehen. Bereits legendär und oft erzählt ist ihre witzige Antwort auf die Frage eines Reporters, zu welchen Gelegenheiten sie denn Champagner trinke: Ich trinke ihn, wenn ich glücklich bin, und ich trinke ihn auch, wenn ich traurig bin. Manchmal trinke ich ihn, wenn ich allein bin; in Gesellschaft trinke ich ihn sowieso. Selbst wenn ich keinen Appetit habe, nehme ich gern ein Gläschen zu mir. Und wenn ich Appetit habe, greife ich natürlich auch zu ihm. Aber sonst rühre ich ihn nicht an, außer - wenn ich durstig bin. (siehe viele weitere Sprüche bekannter Persönlichkeiten über Wein unter Zitate). Im Zeitraum 1978 bis 1994 leitete Christian Bizot (1928-2002), Sohn der jüngeren Schwester der Lily Bollinger, als sechster Präsident die Geschicke des Unternehmens. Er führte die Verwendung eines Etikettes mit stichhaltigen Informationen auf allen Bollinger-Champagnern ohne Jahrgang ein. Dies bewirkte eine absolute Transparenz, denn nun war erkenntlich, welche Rebsorten verwendet wurden und wie lange die Weine gelagert wurden. Diese Daten werden in vielen anderen Häusern streng geheim gehalten.

Im Jahre 1985 erwarb die Firma Bollinger 40% der australischen Firma Petaluma und war maßgeblich an der Entwicklung einer Schaumwein-Kellerei in Adelaide beteiligt. Als siebenter Präsident ist seit dem Jahre 1994 Ghislain de Montgolfier (ebenfalls ein Neffe der Lily Bollinger) verantwortlich. Das Unternehmen ist nach wie vor im Gegensatz zu vielen anderen in Familienbesitz. Die eigenen Weinberge umfassen heute 152 Hektar Rebfläche in den besten Crus, unter anderem in den Gemeinden Aÿ, Bouzy und Verzenay. Rund 60% gelten als Grand Cru und weitere 30% als Premier Cru.

Die Produkte des Hauses werden unter strengsten Qualitäts-Kontrollen auf Basis von hauptsächlich Pinot-Noir-Trauben zum Teil mit Fassgärung (die sonst beim Champagner nicht üblich ist) und sehr lange Hefesatzlagerung produziert. Die Reserveweine werden nicht in großen Fässern, sondern, sortiert nach Cru und Jahrgang, in einzelnen Magnum-Flaschen unter leichtem Druck verkorkt gelagert. Es wird nur der Most der ersten Pressung (Cuvée) verwendet. Der Most der zweiten Pressung (Taille) wird an andere Winzer verkauft. Nur bei Chardonnay wird bei den besten Jahrgängen mitunter auch Taille verwertet. Die erste Gärung der Weine, sortiert nach Cru, findet in (natürlich französischen) Barriques und Edelstahltanks statt. Champagner ohne Jahrgang lagert zumindest drei Jahre, Jahrgangs-Champagner zumindest fünf bis acht Jahre auf der Hefe.

Bei besonders guten Jahrgängen wird ein Jahrgangs-Champagner namens „Grande Année“ produziert, der nach der zweiten Gärung in der Flasche noch zumindest fünf Jahre lang auf der Hefe lagert. Dem „Grande Année Rosé“ wird ein wenig stiller Rotwein aus Weinbergen um Aÿ zugefügt. Als rarster Champagner gilt der Mono-Cuvée „Vieilles Vignes Françaises“, der aus alten, ungepfropften bzw. wurzelechten Pinot-Noir-Rebstöcken aus einem von der Reblaus verschont gebliebenen Weingarten in kleinen Mengen (maximal 2.000 Flaschen per anno) produziert wird. Nach dem Dégorgement müssen alle Champagner zumindest drei Monate ruhen, ehe sie ausgeliefert werden. Gesetzlich geschützt ist die bei speziellen Champagnern auf dem Etikett enthaltene und Bollinger vorbehaltene Bezeichnung Récemment dégorgé (RD). Jährlich werden rund 1,5 Millionen Flaschen erzeugt. Die Produkte werden weltweit in insgesamt 80 Länder exportiert.

Im 2002 entstandenen Kinofilm „Die Another Day“ (Stirb an einem anderen Tag) betritt 007 (Pierce Brosnan), nachdem er dem Tod knapp entronnen ist, arg ramponiert die Lobby des Peninsula-Hotels in Hongkong, wo ihm vom Kellner ein Hummer, garniert mit Wachtelei, empfohlen wird. Bond lächelt zustimmend und sagt: „​​​​​​Und vergessen Sie den 61er Bollinger nicht“. Es wird eine Limited Edition Millésime (Jahrgangs-Champagner) produziert, bei der „007“ am Etikett prangt. 

Lily Bollinger: By Bollinger site, Fair use, Link

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Dr. Christa Hanten

Für meine langjährige Tätigkeit als Lektorin mit wein-kulinarischem Schwerpunkt informiere ich mich bei Spezialfragen immer wieder gern im Weinlexikon. Dabei führt spontanes Lesen und das Verfolgen von Links oft zu spannenden Entdeckungen in der weiten Welt des Weins.

Dr. Christa Hanten
Fachjournalistin, Lektorin und Verkosterin, Wien

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