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Bordeaux-Klassifizierung

Bordeaux classification (GB)
Bordeaux classification (F)
Burdeos clasificación (ES)
Bordeaux classificatie (N)

Klassifizierungen von Weingütern (Châteaux) bzw. Weinen im Bordeaux erfolgten schon im 18. Jahrhundert. Heute gibt es fünf Systeme; das berühmteste stammt aus dem Jahre 1855. Dabei wurden aber nur Weine vom linken Ufer (Rive gauche) der Gironde berücksichtigt, das sind u. a. die Bereiche Médoc, Graves und Sauternes. Natürlich wachsen aber auch am rechten Ufer (Rive droite) wie z. B. Fronsac, Pomerol und Saint-Émilion ausgezeichnete Weine. Die über eineinhalb Jahrhunderte alte Einstufung gilt unabhängig der von Jahr zu Jahr sicher unterschiedlichen Qualität der Weine. Bisher gab es als absolute Ausnahme nur eine einzige Änderung, bei der das Château Mouton-Rothschild vom 2. in den 1. Rang aufstieg. Sie hat nach wie vor große Bedeutung und wird deshalb von den Weingütern marketingmäßig mit Anführung des Ranges am Etikett verwendet.

Bordeaux-Klassifizierung - Systeme bzw. Logos

Bordeaux-Klassifizierungssysteme

Die heute gültigen restlichen vier Systeme für andere Bordeaux-Bereiche (die 1855 nicht berücksichtigt wurden) wurden erst viel später eingeführt. Die Cru-Klassen sind unterschiedlich in der Bezeichnung und der Anzahl der Qualitäts-Stufen, was gegenüber der einheitlichen und für alle Appellationen geltenden Burgund-Klassifizierung verwirrend ist. Es gab immer wieder Versuche einer Vereinheitlichung. Ein Vorschlag stammte von Alexis Lichine (1913-1989), der auch nicht realisiert wurde.

  • Médoc (sowie mit Château Haut-Brion ein Weingut aus Graves) für Rotweine mit fünf Stufen - 1855
  • Cru Bourgeois (Médoc) mit einer Stufe - ab den 1920-ern, anerkannt von EG 1976
  • Cru Artisan (Médoc) mit einer Stufe - 1989, anerkannt von EU 1994
  • Graves für Rot- und Weißweine mit einer Stufe - 1953 bzw. 1959
  • Saint-Émilion mit zwei Stufen - ab 1955 alle 10 Jahre
  • Sauternes und Barsac für Weißweine mit drei Stufen - 1855

Die einstufigen Systeme Cru Bourgeois und Cru Artisan gelten für nicht als Grands Crus klassifizierte Weingüter aus dem Médoc und liegen rangmäßig hinter den Grands Crus von 1855. Die bereits mehrmals geänderte Klassifizierung wird periodisch wiederholt (siehe dann weiter unten). Für Graves wurde 1953 und ergänzt 1959 eine einstufige Klassifikation geschaffen, die nach Rot- und Weißweinen unterscheidet (alle Weingüter liegen in Pessac-Léognan). Für Saint-Émilion wurde 1955 ein zweistufiges System eingeführt, die Klassifizierung ist an die Lagen (Rebflächen) gebunden. Sie wird periodisch überprüft, wobei sich die Weingüter bewerben müssen. In Fronsac und Pomerol gibt es als Ausnahme im Bordeaux keine Klassifizierung. 

Der Verband UGCB (Union des Grands Crus de Bordeaux) repräsentiert die wichtigsten Bordeaux-Anbaugebiete, vertritt die Interessen der unabhängigen Winzer und fungiert als Vermarktungsplattform vor allem internationaler Kunden. Neben der UGCB gibt es weitere, regionale Zusammenschlüsse mit ähnlichen Zielen, nämlich die Alliance des Crus Bourgeois du Médoc, das Classement des Vins de Graves und das Classements des Vins de Saint-Émilion.

Bordeaux - Karte

Die Klassifizierung von 1855

Vom 15. Mai bis 15. November 1855 fand unter der Ägide von Napoleon III. (1808-1873) die Weltausstellung in Paris statt. Der wichtigste Ausstellungsort war temporär zwischen Champs-Élysées und der Seine errichtet worden. Der Monarch beauftragte die Handelskammer von Bordeaux (Gironde), als Vorbereitung für dieses Ereignis, „eine vollständige Liste der klassifizierten Bordeaux-Rotweine sowie unserer großen Weißweine” zu erstellen. Die Weine des rechten Dordogne-Ufers wurden nicht berücksichtigt, weil diese Appellationen der Handelskammer von Libourne unterstanden. Das Renommé dieser Weine wie zum Beispiel Pomerol entfaltete sich aber ohnehin erst später. Die Handelskammer konnte sich auf kein Bewertungs-System einigen und delegierte die Verantwortung an das „Syndicat des courtiers de commerce de Bordeaux“ (Vereinigung der Weinmakler). Eine Klassifizierung für Weine war nichts grundlegend Neues, denn ähnliche Rangordnungen gab es inoffiziell schon längere Zeit. Es sind insgesamt über 25 verschiedene Systeme vor dem Jahre 1855 bekannt. 

Bordeaux-Klassifizierung - Napoleon III und 5 Premier Crus

Die Makler waren unter enormen Druck und hatten nur mehr wenig Zeit zur Verfügung, schafften aber dennoch innerhalb kürzester Zeit eine Liste. Diese beruhte nicht auf aktuellen Verkostungen noch verfügbarer Weine, sondern berücksichtigte in erster Linie die Verkaufspreise der letzten hundert Jahre. Dieses Kriterium ging also eindeutig davon aus, dass die teuersten Weine auch die besten sind. Es wurden aber auch Ranglisten in die Entscheidung miteinbezogen, die Alexander Henderson (1780-1863), der spätere US-Präsident Thomas Jefferson (1743-1826) und Cyrus Redding (1785-1870) erstellt hatten. Zusätzlich berücksichtigten die Makler noch die Reputation der Häuser und den damaligen Besitzstand. Die Klassifikation stellte somit eine Langzeitbetrachtung dar, so dass individuelle Schwankungen wie einzelne schlechte Jahrgänge oder schlechtere Qualitäten wie zum Beispiel auf Grund von Eigentümerwechsel nur unwesentlich ins Gewicht fielen.

Rotweine 1855 (Médoc und ein Wein Graves)

Am 18. April 1855 gab der Maklerverband seine Aufstellung der besten Weine bekannt. Es wurde ausdrücklich betont, dass die Klassifikation auf keinen Fall eine Momentaufnahme sei, sondern sich als „Ergebnis einer mehr als hundert Jahre alten Entwicklung“ verstünde. Das Resultat waren zwei Listen, eine mit Rotweinen und eine mit Weißweinen. In die Rotwein-Liste wurden insgesamt 61 Châteaux aufgenommen (diese Anzahl bezieht sich aber auf den heutigen Status). Sie sollte für alle Rotweine der Gironde aufgestellt werden, beinhaltete jedoch nur Weine des Médoc und einen aus Graves. Diese wurden von „Premiers Crus“ bis „Cinquièmes Crus“ in fünf Klassen gruppiert. Eine oft gestellte Frage ist, ob es eine Reihung bzw. Rangordnung innerhalb der fünf Gruppen gibt. Diesbezüglich verhielten sich die Makler sehr widersprüchlich.

Médoc - Faksimile der Originalliste

In einem Brief vom 16. September 1855 an die Handelskammer bemerkten sie, dass es keinerlei Überlegenheit bzw. keine qualitative Reihung innerhalb einer Stufe gäbe: Weine der gleichen Stufe seien als ebenbürtig anzusehen. Aber noch einen Monat vorher hatten sie das Gegenteil behauptet. Gegen die „Gleichheit“ spricht auch, dass in der Originalliste die Weine weder alphabetisch noch nach Gemeinden geordnet wurden. Außerdem wurde dem Château Mouton-Rothschild explizit der erste Platz bei den Deuxième Crus sozusagen als „Trostpflaster“ zugewiesen. Das Komitee reihte also vermutlich sehr wohl innerhalb der Gruppen, wollte dies aber offiziell nicht zugeben, um niemand zu verärgern und um zu erwartende Proteste zu verhindern.

Erwähnenswert ist, dass gegenüber zum Beispiel der Klassifizierung in Saint-Émilion Änderungen bzw. Erweiterungen in den Rebflächen keine Auswirkung auf die Rangstufe haben. Als einzige Vorgabe gilt, dass sich die Flächen innerhalb der Appellation befinden müssen. Was hier zählt, ist also das Renommee des Weinguts und nicht die Qualität der Lage. Der Name des Weingutes gilt sozusagen als unveränderliches Qualitätsmerkmal und Markenzeichen. Siehe die Aufstellung bzw. die Reihung der 61 Rotweine unter Médoc, wo die Châteaux mit den Platzziffern ex der Originalliste angeführt sind.

Weißweine 1855 (Sauternes und Barsac)

Es wurden 24 Châteaux aus Barsac und Sauternes in die zwei Klassen „Premiers Crus“ und „Deuxièmes Crus“ gruppiert. Schließlich aber wurde für eines davon die Sonderklasse „Premieur Cru Classé Supérieur“ vergeben, das war das Château d’Yquem. Das Weingut stand und steht somit sogar eine Stufe höher als die erste Klasse der Rotweine. Durch Besitzaufteilungen sind es heute 27 Châteaux. Siehe dazu im Detail unter Sauternes

Cru Bourgeois

Diese Bezeichnung entstand in den 1920er-Jahren. Neben der Cru Classé wurde unter diesen „aristokratischen“ Weingütern sozusagen eine „bürgerliche Klasse“ geschaffen. Die Weine müssen aus einem der acht Médoc-Appellationen Haut-Médoc, Listrac-Médoc, Margaux, Médoc, Moulis, Pauillac, Saint-Estèphe oder Saint-Julien stammen. Weitere Kriterien sind unter anderem kein Fassverkauf - das heißt also ausschließlich Vermarktung in der Flasche, Gutsabfüllung, Verkauf erst im zweiten auf die Lese folgenden Jahr und regelmäßige Qualitätsüberprüfung anhand von Stichproben. Von 1930 bis 1932 klassifizierte eine Experten-Kommission 444 Weingüter. Der „Verband der Crus Bourgeois“ wurde im Jahre 1962 gegründet, zu dieser Zeit existierte die Hälfte dieser Weingüter nicht mehr. Im Jahre 1976 wurde „Cru Bourgeois“ auch von der EU anerkannt.

Klassifikation 1978 und 2003

Im Jahre 1978 gab es eine zweite und im Jahre 2003 die dritte Klassifikation. Es bewarben sich 490 Châteaux, von denen nur 247 klassifiziert wurden. Die Klassifizierung beruhte auf von 1994 bis 1999 produzierten Weinen. Die Châteaux wurden in die drei Stufen Cru Bourgeois Exceptionnel (9), Cru Bourgeois Supérieur (87) und Cru Bourgeois (151), klassifiziert. Nach der Veröffentlichung kam es zu einer Anfechtung. Insgesamt 78 nicht berücksichtigte und aus ihrer Sicht übergangene Châteaux klagten im Jahre 2004 beim Verwaltungsgericht Bordeaux und zeigten angebliche schwere Verfahrensfehler auf.

Aufhebung 2007

Unter anderem sollen klassifizierte Winzer sich selbst bewertet haben und Weingüter im Zuge der Bewertung nicht einmal besucht worden sein. Die Berufungsinstanz des Verwaltungsgerichts hob dann im Februar 2007 das neue Klassement auf. Die weitere Vorgangsweise war aber nach wie vor unklar. Man wartete auf die Reaktion der 2003 gegründeten „Alliance des Crus Bourgeois“ als Rechtsvertreterin der Mitgliedsbetriebe. Es gab sogar die Meinung, dass auch die Klassifizierung des Jahres 1978 als obsolet zu betrachten und eigentlich die erste Klassifizierung aus 1932 als allein gültig zu betrachten sei.

Neuorganisation 2009

Im Jahre 2009 wurde eine Neuorganisation eingeführt. Die neue Klassifizierung bezog sich nun nicht mehr auf das Château (Weingut), sondern auf den jeweiligen Jahrgang des Weines. Die zwei Kategorien „Cru Bourgeois Superieur“ und „Cru Bourgeois Exceptionnel“ wurden ersatzlos eliminiert. Nun muss jährlich um eine Einstufung angesucht werden, wobei als einzige Voraussetzung eine Mindestgröße von 7 Hektar in Médoc und Haut-Medoc, bzw. 4,5 Hektar in den sechs Gemeinde-Appellationen gegeben sein muss. Die Weine der Châteaux werden von einem unabhängigen Gremium verkostet.

Klassifikation 2020

Aber das war noch immer nicht das Ende. Nach zehn Jahren Arbeit und intensiven Gesprächen mit den Behörden wurde im Februar 2020 eine für fünf Jahre gültige Klassifikation mit wieder drei Kategorien Cru Bourgeois, Cru Bourgeois Supérieur und Cru Bourgeois Exceptionnel eingeführt. Sie gilt für die Jahrgänge 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022. Dann erfolgt eine neue Klassifizierung für weitere fünf Jahre. Es wurden insgesamt 249 Châteaux klassifiziert, davon 179 Crus Bourgeois, 56 Crus Bourgeois Supérieurs und 14 Crus Bourgeois Exceptionnels. Unter diesem Link gibt es eine Aufstellung aller Châteaux.

Als erster Filter im Klassifizierungsprozess fungiert eine sensorische Analyse in einer Blindverkostung. Um „Cru Bourgeois Supérieur“ oder „Cru Bourgeois Exceptionnel“ zu erreichen, werden zudem die technischen sowie die Vertriebs- & Marketing-Aspekte bewertet. Die Kategorie „Technik im Weingut“ widmet sich der Prüfung von fünf Unterthemen: Weinbau, Lese, Kellerarbeit, Lagerung und Qualitätssystem. Der Bereich „Vertrieb & Marketing“ nimmt unter die Lupe, wie sich ein Château in Szene setzt. Die Gastlichkeit kommt ebenso auf den Prüfstand wie der Vertrieb, die Verkaufsförderung und die Kommunikation auf nationaler und internationaler Ebene. Für diese beiden Stufen müssen außerdem die Châteaux das von den französischen Behörden anerkannte Nachhaltigkeits-Zertifikat HVE 2 (Haute Valeur Environnementale) nachweisen können.

Cru Artisan und Cru Paysan

Diese zwei Bezeichnungen wurden bereits im 19. Jahrhundert von Weinhändlern verwendet. Beschrieben werden sie im Jahre 1868 in der vom englischen Professor Charles Cocks verfassten und von Michel-Édouard Féret übersetzten „Bordeaux-Bibel“. Diese kleinen Anwesen gehören oft Landwirten (paysans) oder Handwerkern (artisans), die in geringem Umfang Weinbau betrieben. In den 1930er-Jahren gerieten die Bezeichnungen aber in Vergessenheit. Cru Paysan spielt keine Rolle mehr, aber auf Initiative kleiner Weingüter wurde im Jahre 1989 die Klasse „Cru Artisan“ beantragt, um einen größeren Spielraum bezüglich der Cru-Bourgeois-Bestimmungen zu gewähren. Grundvoraussetzung ist, dass der Besitzer eine Realperson sein muss, die sich persönlich um Weingarten, Keller und Verkauf kümmert. Es muss sich um kleine Anwesen (weniger als fünf Hektar) handeln, die Weine mit einer der acht Herkunftsbezeichnungen des Médoc produzieren. Cru Artisan wurde dann im Jahre 1994 von der Europäischen Union anerkannt; die Bezeichnung darf auf dem Hauptetikett angeführt werden.

weiterführende Informationen

Siehe zum Themenkomplex auch komplette Aufstellungen von Klassifizierungssystemen aller europäischen Länder unter den Stichwörtern Grand Cru (Bereiche, Weingüter) und Qualitätssystem (Weine).

Quellen: WIKIPEDIA und Wein (André Dominé)
Karte: Von Domenico-de-ga aus der Wikipedia, CC BY-SA 3.0, Link
Veränderungen vom Original durch Norbert Tischelmayer 2017
Napoleon III: von Adolphe Yvon - Walters Art Museum, Gemeinfrei, Link 
Faksimile Bordeaux-Klassifikation: six amis

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Egon Mark

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Egon Mark
Diplom-Sommelier, Weinakademiker und Weinberater, Volders (Österreich)

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