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Diabetikerwein

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diabetico vino (I)
diabético vinho (PO)

Diabetes mellitus (honigsüßer Durchfluss, Honigharnruhr), im Volksmund „Zuckerkrankheit“, ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im mittleren und höheren und zunehmend auch bereits im jüngeren Lebensalter (Zivilisationskrankheit). Hauptmerkmal ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie), der mit einem Risiko für schwere Begleit- und Folgeerkrankungen verbunden ist. Der „Diabetes Typ 2“ (umgangssprachlich Altersdiabetes; der Begriff ist aber überholt, da die Krankheit nicht nur ältere Menschen trifft) ist die häufigste Form. Er entsteht durch eine mangelhafte Insulinwirkung an den Körperzellen. Dadurch kann nicht genug Zucker aus dem Blut ins Gewebe gelangen, die Zuckerkonzentration im Blut ist erhöht und trotzdem kann in den Zellen ein Energiemangel entstehen.

Diabetiker Wein - Etiketten

Fructose ist weniger blutzuckersteigernd

Der „Diabetes Typ 1“ ist die seltenere Form, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genügend oder gar kein Insulin produziert. Ohne Insulin kann Glucose (Traubenzucker) nicht in die Zelle aufgenommen und zu Energie verstoffwechselt werden. In den ersten Phasen des Fruktose-Stoffwechsels wird kein Insulin benötigt. Hingegen ist Fructose (Fruchtzucker) im Vergleich zum Traubenzucker zwar bis drei Mal süßer, aber erheblich weniger blutzuckersteigernd. Deshalb wurde Fructose lange als nützlicher Ersatzstoff für Saccharose und Glucose in der Diätbehandlung für Diabetiker verwendet.

Kennzeichnung am Flaschenetikett

Diese medizinischen Gründe führten in den 1990er-Jahren in Deutschland zu der Definition „Diabetikerwein“ mit entsprechender Kennzeichnung am Etikett. Dies wurde im §48 der Weinverordnung definiert: Stillwein wird als zum Verzehr für Diabetiker geeignet gesehen, wenn in einem Liter Wein folgende Maximalwerte gegeben waren: maximal 20 Gramm Gesamtzucker (als Invertzucker berechnet), davon maximal vier Gramm Glucose (Traubenzucker), maximal 40 mg freie schweflige Säure, maximal 150 Milligramm gesamte schweflige Säure und maximal 12% vol Alkoholgehalt.

Bei Schaumwein waren dies: maximal vier Gramm Glucose und keine Saccharose, maximal 40 Gramm Fructose, maximal 185 Milligramm schweflige Säure und maximal 12% vol Alkoholgehalt. Auf dem Etikett oder Rückenetikett müssen weitere Angaben über diätische Werte, wie der Nährwert (Brennwert), gemacht werden. Die DLG vergab im Rahmen der Prüfung für das Deutsche Weinsiegel ein Zertifikat, das auf einem Rückenetikett die Diabetiker-Tauglichkeit bescheinigte. Im Gegensatz dazu war in Österreich die Bezeichnung Diabetikerwein schon immer nicht üblich bzw. verboten.

Auswirkungen durch Fruchtzucker

Trotz des „nützlichen“ Effekts der Fructose zeigen aktuelle wissenschaftliche Studien, dass zu viel Fruchtzucker in der Ernährung ungünstige Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat. So erhöht Fructose die Plasmakonzentration der Blutfette (Triglyceride) und das schädliche LDL-Cholesterin. Beides begünstigt die Entstehung der Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) und erhöht damit das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt. Ebenso werden durch zu viel Fructose in der Ernährung auch eine Entwicklung der Adipositas (Übergewicht) sowie die Entwicklung des metabolischen Syndroms begünstigt.

tödliches Quartett

Die „tödliches Quartett“ genannten vier Faktoren sind Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck. Die genannten Fakten sind beim meist erst im Erwachsenenalter auftretenden „Typ-2 Diabetiker“ besonders problematisch. Damit ist auch den Weinproduzenten die (biologische) Basis für einen als „Diabetikerwein“ bezeichneten Wein entzogen, dessen Definition sich lediglich auf den Gehalt an Fructose und Glucose beruft. Übrigens galt diese Angabe zum Teil nur für Weine mit max. 2 g/l Restzucker (siehe dazu auch unter Zuckergehalt).

Weingenuss durch Diabetiker

Diabetikern ist ein (nur) moderater Weingenuss, bevorzugt trocken ausgebaut, zu empfehlen. Die Zucker-Konzentrationen spielen für den gut eingestellten Diabetiker eine untergeordnete Rolle und sind in der täglichen Ernährung vernachlässigbar. Daher sollte verstärkt die wachsende Gruppe der Typ-2 Diabetiker über die gesundheitlich förderliche Wirkung des moderaten Weingenusses informiert werden. Denn wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass die Blutzuckerkontrolle durch moderaten Konsum nicht beeinflusst wird. Wein wirkt durch Erhöhung des günstigen HDL-Cholesterins, durch Herabsetzung der Blutgerinnung und durch Reduktion der schädlichen freien Radikale positiv auf die gefürchteten und häufigen diabetischen Folgeerkrankungen, wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

unbeschränkte Zufuhr von Fructose nicht mehr empfohlen

Die Einstellung zu alkoholischen Getränken  hat sich deshalb bei den Diabetologen geändert. Unabhängig von den gesetzlichen Bedingungen haben sich die Ernährungsrichtlinien für Diabetiker sowie die Einschätzung zur Fructose auch geändert und die unbeschränkte Zufuhr nicht mehr empfohlen. Grundsätzlich gilt, dass moderate Dosen eines trockenen Weins für Diabetiker kein gesundheitliches Problem darstellen – ja sie sogar davon profitieren können.

EU-Verordnung - Verbot ab 1. Juli 2007

Die EU-Verordnung (Nr. 1924/2006) zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel (Health Claims-Verordnung) ist am 1. Juli 2007 in Kraft getreten. Danach ist für Getränke über 1,2% vol Alkoholgehalt jeglicher Gesundheitsbezug auf dem Etikett und bei werblich eingestuften Aussagen verboten. Ausnahme bilden nur Angaben, die sich auf einen reduzierten Alkoholgehalt oder Nährwert beziehen. Diese Verordnung betrifft auch den „Diabetikerwein“ und „Diabetikersekt“ bzw. die Bezeichnung „Für Diabetiker geeignet - nur nach Befragen des Arztes“ (oder ähnlich), die als gesundheitsbezogen gilt und künftig verboten ist. Durch die EU-Verordnung wurde der vorher erwähnte §48 des Weingesetzes aufgehoben. Auch dem DLG-Siegel ist damit die rechtliche Grundlage entzogen.

weiterführende Informationen

Siehe zum Themenkomplex auch unter den Stichwörtern ADH (Alkoholabbau), ADI (Acceptable Daily Intake), Alkoholismus, Alkoholverbot, Allergie, Blutalkoholkonzentration (BAK); Gesundheit, Prohibition, Rausch und Trinkkultur.

Quelle: DWA (Deutsche Weinakademie), Artikel „Wein für Diabetiker muss kein ausgewiesener Diabetikerwein sein“

Stimmen unserer Mitglieder

Sigi Hiss

Es gibt unübersichtlich viele Quellen im Web, bei denen man sich Wissen über Wein aneignen kann. Doch keine hat den Umfang, die Aktualität und die Richtigkeit der Informationen des Lexikons von wein.plus. Ich benutze es regelmäßig und verlasse mich darauf.

Sigi Hiss
freier Autor und Weinberater (Fine, Vinum u.a.), Bad Krozingen

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