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Flaschenreifung

affinage (F)
bottle mature (GB)
affinamento (I)
afinamento (PO)

Nach der Flaschenabfüllung beginnt bei Stillweinen die reduktive Stufe der Reifung ohne bzw. mit sehr wenig Sauerstoff. Viele Produzenten lagern vor allem qualitativ hochwertigere, ausbaufähige Rotweine aber auch Weißweine vor der Vermarktung bis zu 12 Monaten und auch länger in der Flasche, weshalb man auch von Flaschenausbau oder Flaschenveredelung spricht. Eine bestimmte Flaschenreife ist auch in vielen Ländern bei einzelnen Weinen weingesetzlich vorgeschrieben.

Im Gegensatz zur Alterung, unter der man alle Veränderungen eines Weines bis zum „Lebensende“ versteht, werden unter Flaschenreifung eher nur die positiven Veränderungen bis zum Höhepunkt zusammengefasst. Eine klare Trennung zwischen den zwei Begriffen gibt es jedoch nicht. Im Zusammenhang mit dem Höhepunkt eines Weines wird häufig auch der Begriff Trinkreife verwendet, womit der optimale Genusszeitpunkt verstanden wird. Dieser Zustand kann schon vor dem Höhepunkt gegeben sein. Man kann die beiden Begriffe aber auch als gleichbedeutend verstehen, da sie keinesfalls „stichtagsbezogen“ zu verstehen sind und sich über einen längeren Zeitraum, das heißt auch über mehrere Jahre erstrecken können.

Flaschenreifung

Veränderung von Aroma und Farbe

Ein Fassausbau wirkt sich positiv auf die Reifung aus. Bei langlebigen Weinen ist die Flaschenreifung ein Prozess, bis diese im Extremfall erst nach vielen Jahren (selten Jahrzehnten) zum Höhepunkt gelangen und dann wieder abbauen. Während der komplexen Alterung/Reifung verändern sich das Aussehen und das Aroma. Die chemischen Veränderungen ergeben sich zum Teil auch durch oxidative Prozesse mit auch bewusstem Sauerstoffmanagement. Abhängig von der Verschlussart erfolgt auch eine als Mikrooxigenation (Nanooxigenation) bezeichnete Sauerstoffzufuhr in minimaler Menge durch den Verschluss.  Dies kann sogar mittels spezieller Verschlüsse (z. B. Nomacorc, VinPerfect) bewusst gesteuert werden.

Viele Vorgänge sind jedoch nicht vom Sauerstoff abhängig, sondern Reaktionen zwischen den Inhaltsstoffen bzw. deren Zerfall. Die durch Enzyme gesteuerten biochemischen Prozesse verbrauchen den Sauerstoff, würden aber auch ohne diesen ablaufen, allerdings wesentlich langsamer. Durch Zusammenwirken von Sauerstoff, Säuren und Alkohol erfolgt das Anreichern mit Ester. Das sind geschmacksintensive, meist flüchtige Verbindungen mit süßfruchtigem Aroma. Die Menge an Säuren verändert sich nicht, obwohl dieser subjektive Eindruck bei älteren Weinen entsteht. Sie treten sogar am „Lebensende“ wieder stärker hervor.

rot - 8 Farbschattierungen in verschiedenen Rottönen

Polymerisierung

Die Farbe durchläuft einen typischen Veränderungs-Zyklus, was auch Rückschlüsse auf das Alter zulässt. Bei Rotweinen verändern sich die Anthocyane (Farbstoffe) von anfangs dunklem purpurrot oder bläulichrot zuerst zu helleren Farben wie rubinrot, granatrot und ziegelrot und gehen dann wieder in dunklere, bräunlichrote Töne über. Am Lebensende zeigt ein dann nicht mehr optimal schmeckender Rotwein vollkommen braune Farbe. Bei diesem Prozess werden Phenole zu einer Kruste polymerisiert (zusammengebacken). Diese Stoffe lagern sich als Depot am Flaschenboden ab. Sie sind jedoch keinesfalls als Weinfehler zu betrachten und können durch möglichst vorsichtiges Dekantieren entfernt werden.

Im Weißwein sind weniger Gerbstoffe enthalten, dadurch ist die Veränderung wesentlich geringer. Die anfangs strohgelbe bis hellgoldene Farbe mit oft grünlichen Reflexen verändert sich kontinuierlich zu dunkleren Tönen. Bei Sorten mit hohem Phenolgehalt kann die Farbe zu tiefgelb und orangegelb wechseln. Am Lebensende verfärben sich Weißweine häufig dunkelbraun (bei Jungweinen deutet dies auf den Weinfehler Brauner Bruch hin). Einfluss auf die Farbe hat auch Rebsorte und Ausbauart. Weine mit oxidativem Ausbau wie Sherry, Portwein oder aus botrytisierten Beeren weisen einen dunkleren Ton auf.

Bildung der tertiären Aromen

Während der Flaschenreifung und den dabei ablaufenden komplexen chemischen Vorgängen entwickeln sich die tertiären Aromen. Deren Ausbildung beginnt mit dem Abbau der im jungen Wein gelösten Kohlensäure, der Polymerisierung von Stoffen und der Veresterung. Alles was im Wein „hart und eckig“ war, wird nun „runder, sanfter und harmonischer“. Ein wichtiger Aspekt ist das „richtige Genussalter“ eines Weines. Einige Weine müssen in der Flasche einige Jahre lang lagern, bevor sie nach den gesetzlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder vermarktet werden dürfen. Doch auch der Entwicklungsprozess eines Weines hat ein Ende, denn kein Wein ist unbegrenzt haltbar und wird nicht „ewig besser“. Auch der Korken bzw. der Verschluss spielt eine wichtige Rolle. Wird dieser brüchig und luftdurchlässig, kann durch Zutritt von Sauerstoff eine Oxidation beginnen.

Abbau von Stoffen

Eine oft gestellte Frage ist, ob im Laufe der Zeit Stoffe - und wenn ja welche - abgebaut werden. Nach analytischen Messungen ist als Folge natürlicher Alterung keine Abnahme des Restzuckers messbar, oder höchstens marginal (vielleicht 0,5 g/l). Das gleiche gilt auch für Säuren und den pH-Wert. Der scheinbare Abbau von Süße (Zucker) bei gereiften Weinen ist eine „eingebildete“ sensorische Empfindung. Im Wesentlichen ist der Eindruck darauf zurückzuführen, dass andere Stoffe des Weins wie Tannine, sowie vegetabile und mineralische Töne deutlicher schmeckbar, während die fruchtigen Noten deutlich weniger präsent ist. Junge Süßweine in ihrer Primärfruchtphase schmecken auch deshalb so süß, weil die jugendliche Frucht den Süßeeindruck noch verstärkt. Siehe zu dieser rein subjektiven Geschmacks-Empfindung auch unter dem Stichwort Zuckergehalt.

In der weiteren Entwicklungsphase des Weines verschwinden im Laufe der Zeit langsam diese primären Fruchtaromen, während nun bitter schmeckende Komponenten mehr in den Vordergrund treten. Der Eindruck der Süße kann dadurch subjektiv merklich geringer werden, obwohl sich am tatsächlichen Zuckergehalt gar nichts geändert hat. Bei nominell trockenen Weinen mit einigen Gramm Restzucker kann sogar genau der gegenteilige Effekt eintreten. In der Primärfruchtphase wird die vorhandene Süße zum Teil mit Frucht gleichgesetzt und daher nicht getrennt von dieser wahrgenommen. Verschwindet die Primärfrucht, bleibt der Zucker dennoch deutlich erkennbar und wird plötzlich getrennt wahrgenommen, was den Wein süßer wirken lässt.

Alterung und Höhepunkt

Durch oxidative Vorgänge können sich Altersaromen wie Alterston und Firn entwickeln. Diese werden in der Regel als Weinfehler verstanden. In geringer Ausprägung und bei bestimmten Weinen werden aber Firne als positiv akzeptiert. Bei schadhaftem Korken ist deshalb eine Neuverkorkung überlegenswert, was manche Weingüter für ihre besten Produkte als Service anbieten. Eine Weiterentwicklung in der Flasche bis zu einem Höhepunkt gibt es in der Regel nur bei Stillwein. Bei einem Schaumwein ist die Entwicklung in den meisten Fällen ab der Vermarktung abgeschlossen bzw. der Höhepunkt bereits erreicht. Dasselbe gilt auch für Destillate aller Art wie Armagnac, Cognac, Weinbrand etc. All die (positiven) Veränderungen während des Reifungsprozesses können bei einem rasch zu genießendem Jungwein selbstverständlich noch nicht vorhanden sein. Siehe zum Themenkreis auch unter den Stichwörtern Haltbarkeit und Jahrgang, sowie Älteste Weine und Teuerste Weine.

weiterführende Informationen

Siehe bezüglich der Produktion von alkoholischen Getränken unter Champagner (Schaumweine), Destillation (Destillate), Spirituosen (Typen), Weinbereitung (Weine und Weintypen) und Weingesetz (weinrechtliche Belange). 

Flaschen links: Von photosforyou auf Pixabay 
Flaschen rechts: Von gusaap auf Pixabay 
Rottöne: 
 

Stimmen unserer Mitglieder

Sigi Hiss

Es gibt unübersichtlich viele Quellen im Web, bei denen man sich Wissen über Wein aneignen kann. Doch keine hat den Umfang, die Aktualität und die Richtigkeit der Informationen des Lexikons von wein.plus. Ich benutze es regelmäßig und verlasse mich darauf.

Sigi Hiss
freier Autor und Weinberater (Fine, Vinum u.a.), Bad Krozingen

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