Der Begriff beschreibt die Hypothese, dass Franzosen trotz Alkohol- und Fettkonsums länger leben würden als zum Beispiel Deutsche oder Amerikaner. Dieses Phänomen wurde bereits im Jahre 1819 vom irischen Arzt Samuel Black (1763-1832) beobachtet. Eine 1981 veröffentlichte epidemiologsiche Studie der französischen Forscher Jacques L. Richard, François Cambien und Pierre Ducimetière kam zu den Schluss, dass weniger tödliche Herzinfarkte bei Franzosen beobachtet wurden, die häufiger rauchten und höhere Mengen gesättigter Fette zu sich nahmen. Der Begriff „französisches Paradoxon“ wurde 1992 vom Epidemiologen Professor Serge Renaud (1927-2012) geprägt, einem Forscher an der Universität Bordeaux. Dies bezieht sich auf seine Beobachtung, dass die Rate koronarer Herzerkrankungen in Frankreich niedrig war, obwohl die Franzosen dazu neigten, viel gesättigtes Fett in Form von Fleisch, Pasteten und Käse zu sich zu nehmen. Es gilt als gesichert, dass eine hohe Aufnahme von gesättigten Fettsäuren mit einer hohen Sterblichkeit aufgrund koronarer Herzkrankheit (KHK) verbunden ist.
Die Situation in Frankreich ist insofern paradox, als dort eine hohe Aufnahme gesättigter Fettsäuren, aber eine geringe Sterblichkeit aufgrund von KHK herrscht. Dieses Paradoxon könnte zum Teil auf den hohen Weinkonsum zurückzuführen sein. Epidemiologische Studien zeigen, dass der Konsum von Alkohol in der in Frankreich üblichen Menge (20 bis 30 g pro Tag (siehe dazu unter Gesundheit) das KHK-Risiko um mindestens 40% senken kann. Man geht davon aus, dass Alkohol vor koronarer Herzkrankheit schützt, indem er Arteriosklerose durch die Wirkung von High-Density-Lipoprotein-Cholesterin verhindert. Allerdings sind die Serumkonzentrationen dieses Faktors in Frankreich nicht höher als in anderen Ländern.
Auf jeden Fall wurde aufgrund der Publikation der Erkenntnisse von Serge Renaud das „französische Paraxon“ innerhalb kürzester Zeit von den Medien verbreitet und zu einem geflügelten Wort in der Weinwelt. Besonders in den USA wurde dadurch der Weinkonsum befuert und der Rotweinverbrauch quasi über Nacht um 40% gesteigert.
Eine erneute Prüfung früherer Ergebnisse legt nahe, dass moderater Alkoholkonsum im Wesentlichen keine KHK durch eine Wirkung auf Arteriosklerose verhindert. sondern vielmehr durch einen hämostatischen Mechanismus. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Blutplättchenaggregation, die mit KHK in Zusammenhang steht, durch Alkohol in Mengen, die mit einem verringerten KHK-Risiko einhergehen, erheblich gehemmt wird. Die Hemmung der Thrombozyten-Reaktivität durch Wein (Alkohol) könnte eine Erklärung für den Schutz vor KHK in Frankreich sein, da Pilotstudien gezeigt haben, dass die Thrombozyten-Reaktivität in Frankreich geringer ist als in anderen Ländern. Eine der Hauptursachen für die positive Auswirkung ist das besonders in Rotwein in größerer Menge vorkommende Resveratrol. Eine saloppe Schlussfolgerung ist, dass die Franzosen zwar vielleicht weniger an Kreislauf- und Herz-Erkrankungen, dafür jedoch vermehrt an Leberzirrhose erkranken.
Siehe zu diesem Themenkomplex auch unter den Stichwörtern Alkoholismus, Allergie, Gesundheit, Rausch und Trinkkultur.
Quelle (Absatz 2 bis 4): National Library of Medicine
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Thorsten Rahn
Restaurantleiter, Sommelier, Weindozent und Autor; Dresden