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Geruch

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Düfte bestimmen unser Leben, wie der bekannte Gastronomie- und Weinfachmann Guy Bonnefoit in seinem Buch „Faszination Wein & Aromen“ schreibt: Die menschliche Haut hat eine Oberfläche von etwa zwei Quadratmetern und weist bis 300 Geruchskomponenten auf. Je nach körperlichem Zustand und Befindlichkeit ändern sich auch die Geruchsstoffe. Ein Hund kann genau unterscheiden zwischen ihm wohlgesonnenen und ihm ängstlich entgegentretenden Menschen. Jede Laune bzw. Gemütszustand hat ihren eigenen Geruch - man kann somit den Zustand „glücklich“ auch riechen. Ein erfahrener Landarzt berichtet, dass er in der Lage sei, beim Betreten eines Krankenzimmers bestimmte Krankheiten zu erkennen. Jede Krankheit entwickelt ihren typischen „Duft“. Diabetes riecht fruchtig, Diphterie süßlich, Typhus nach gebackenem Brot und Gicht nach Löwenkäfig oder Tierhandlung.

Geruch - Bild Allegorie der Sinne - Brueghel der Ältere

Verhaltensbiologie

Der Geruchssinn ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung gasförmiger Stoffe oder in Wasser gelöster Substanzen auf molekularer Ebene. Wie der Geschmack zählt der Geruch zu den chemischen Sinnen. Die Fähigkeit ist nur bei Wirbeltieren und Insekten nachgewiesen. Geruchswahrnehmungen sind mehr als alle anderen Sinnesorgane sehr stark emotional besetzt. Es erfolgt sofort eine Bewertung in angenehm (duftet) oder unangenehm (stinkt). In der Verhaltens-Biologie hat der Geruch eine besondere Bedeutung bezüglich Nahrungs-Aufnahme, Fortpflanzungs-Verhalten und Erkennen von Feinden. Gerüche fördern den Appetit und die Bildung von Verdauungssäften.

Die Aussage „dass man jemand nicht riechen kann“, ist viel mehr als nur ein Wortspiel. Bei der Partner-Auswahl hat der Geruch unbewusst eine große Bedeutung. Ebenso spielen Gerüche eine wichtige Rolle bei erinnerungsmäßigen und assoziativen Gehirnprozessen. Gerüche werden olfaktorisch über die gelbe Riechschleimhaut (etwa 2 x 5 cm²) im obersten Teil der Nasenhöhle direkt unter dem Gehirn wahrgenommen. Düfte werden aber nicht nur nasal (orthonasal, pronasal) beim Einatmen über die zwei Nasenlöcher, sondern auch retronasal beim Ausatmen von der Mundhöhle über den Nasenrachenraum zur Riechschleimhaut geleitet und wahrgenommen. Es hängt von der Menge eines Geruchsstoffes ab, wann er wahrgenommen wird. Dies wird als Wahrnehmungs-Schwelle (Grenze) bezeichnet.

Geruch - olfaktorisches System beim Menschen

Wahrnehmung

Rund 20 Mio Riechfäden nehmen beim Menschen die Duftstoffe auf. Frauen haben rund 50% mehr Nervenzellen in den Riechkolben und deshalb ein besseres Riechvermögen. Ein Hund besitzt zehnmal mehr Riechfäden, das sind auf 2 x 25 cm² rund 200 Mio. Diese nehmen den Geruch auf, fungieren als Rezeptoren und leiten sie an den Riechkolben weiter. Hier erst werden sie wahrgenommen und an das Gehirn zur „Auflösung“ weitergeleitet. Es gibt rund 350 verschiedene Rezeptortypen, die jeweils nur auf eine bestimmte Duftmolekülgruppe ansprechen.

Aus der Kombination der angesprochenen Rezeptoren in den Zellen ergibt sich die Geruchsmischung. Das Riechhirn (Rhinencephalon) liegt unterhalb der rechten Großhirnhälfte und ist mit dem limbischen System verbunden. Dieses ist für die gesamte Gefühlsverarbeitung wie Liebe, sexuelle Erregung, Furcht und Wut zuständig. Da im Wein zahlreiche Pheromone (Sexualduftstoffe) enthalten sind, kann Wein auch als Aphrodisiakum wirken.

An der Riechwahrnehmung sind zwei sensorische Systeme beteiligt. Das ist neben dem olfaktorischen auch das trigeminale (den Tastsinn betreffend) System. Gerüche als angenehm oder unangenehm zu empfinden, was individuell und willkürlich ist, beruht zum Teil auf Vorstellungen, die sich auf das Geruchsempfinden beziehen. Diese Vorstellungen wechseln schon mit den physiologischen Körperzuständen. Eine Speise duftet einem Hungrigen äußerst angenehm in die Nase, während sie bei einem Gesättigten Widerwillen erregt. Eine starke Einschränkung der Wahrnehmung ergibt sich bei einem Schnupfen, bei dem man zwar die Geschmacks-Richtungen wahrnimmt, jedoch keine Gerüche.

Geruchseindrücke werden fälschlicherweise oft dem Geschmack zugeschrieben. Beim Genuss von Speisen und Getränken wie auch beim Weingenuss vermischen sich diese erst im Gehirn empfangenen Eindrücke von Zunge und Nase zu einem Gesamteindruck, sodass der definitive Ursprung nicht mehr nachzuvollziehen ist. In Kombination von Geschmacks- und Geruchs-Empfindungen entsteht eine komplexe Vielfalt von Sinnesnuancen. Die Zunge bzw. Gaumen ist mit den sechs Geschmacks-Richtungen gegenüber der Nase geradezu primitiv. Für die detaillierte Enträtselung des Geruchssinns erhielten Richard Axel und Linda Buck im Jahre 2004 den Nobelpreis für Medizin. Die US-Forscher zeigten auf, dass der Mensch rund 10.000 Gerüche aufnehmen, sich merken und unterscheiden kann.

Identifizierung

Düfte können die Tore des Gedächtnisses aufstoßen, das heißt, dass bei vielen Menschen bestimmte Gerüche starke Assoziationen mit Orten und Erlebnissen mit dabei beteiligten Personen auslösen. Die zivilisierten Menschen haben aber verlernt, Gerüche zu identifizieren. Denn man braucht das nicht mehr so wie in Urzeiten, wo davon das Überleben abhing. Nach einer Hypothese hat der Mensch, als „er sich aufrichtete“, einen Teil seines Geruchssinns verloren und gleichzeitig die Leistung beim Sehen und Hören gesteigert. Trotzdem ist aber die Nase immer noch viel näher an unserer Psyche als Auge oder Ohr. Im Wein verursachen die vielen Aromastoffe die Dufteindrücke.

Aromarad

Von der University of California wurde das Aromarad entwickelt, mit dessen Hilfe diese Duftstoffe identifiziert werden können. Beim normalen Atmen erreicht nur ein geringer Teil der Düfte die Rezeptoren. Deshalb muss man bei einer Weinbewertung mit der Nase tief im Glas „schnuppern“. Dies darf aber nicht zu intensiv erfolgen, da sonst die Duftstoffe an der Riechschleimhaut vorbeistreichen und dort nicht aufgenommen werden.

Geruchscodes

Ende Juni 2014 erfolgte von der Technischen Universität München (TUM) folgende Pressemitteilung: „Geruchscode von Lebensmitteln entschlüsselt“. Wissenschaftler der TUM und der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) führten eine Meta-Analyse der Geruchsstoffmuster von 227 Lebensmittelproben durch. Durch die Studie wurden die molekularen Duftstoffsignaturen von Lebensmitteln geklärt und identifiziert. Mehr als 10.000 verschiedene flüchtige Stoffe kommen in Lebensmitteln vor. Doch nur etwa 230 davon prägen das Aroma der häufigsten Lebensmittel. Und nur drei bis 40 dieser Schlüsselaromen kodieren die typische und unverwechselbare Duftnote eines einzelnen Lebensmittels von Ananas über gebratenem Fleisch bis hin zu Wein. Der Duft von Sauerrahmbutter ist durch eine Kombination aus nur drei Schlüsselmolekülen kodiert, bei frischen Erdbeeren sind es 12 und Spitzenreiter ist Cognac mit 36.

Die chemischen Geruchscodes werden beim Verzehr von Lebensmitteln in olfaktorische Reizmuster übersetzt. Dafür müssen die Schlüsselgeruchsstoffe mit einem oder mehreren der 400 Geruchsrezeptoren in der Nase interagieren. Dazu bemerkt Prof. Thomas Hofmann (Lehrstuhl Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik): „Mit der Kombination von nur wenigen Schlüsselaromen lässt sich eine authentische Geruchswahrnehmung erzeugen. Die Geruchsqualität der Kombinationen wird aber nicht von den Einzelkomponenten bestimmt, sondern der Vorgang ist viel komplexer.

Bei der Wahrnehmung und neuronalen Verarbeitung der Geruchsmuster addieren sich die einzelnen Aromakomponenten nicht nur einfach. Vielmehr werden die Einzelinformationen in eine neue Duftgestalt übersetzt. Angesichts der kombinatorischen Natur des chemischen Aromacodes und der Vielzahl von rund 400 Geruchsrezeptoren scheint die Zahl der wahrnehmbaren Gerüche nahezu unbegrenzt zu sein“. 

Allegorie der Sinne: Von Jan Brueghel der Ältere, Gemeinfrei, Link
Graphik: Von Chabacano - from Brain and mouth anatomy,
by Patrick J. Lynch, medical illustrator, CC BY-SA 2.5, Link

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Dr. Edgar Müller

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Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach

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