Der Geschmackssinn (auch Gustatorik von lat. gustare = kosten, schmecken) dient der Kontrolle der aufgenommenen Nahrung. Er zählt so wie auch der Geruch zu den chemischen Sinnen. Im weiteren Sinn ist die Geschmacksempfindung ein komplexes Zusammenspiel des gustatorischen (schmeckenden) Geschmacks- und des olfaktorischen (riechenden) Geruchssinns. Dies wird noch ergänzt mit taktilen bzw. trigeminalen Tast-, Schmerz- und Temperatur-Informationen aus der Mundhöhle. Zu letzterem zählen zum Beispiel die Empfindungen scharf (heiß) und adstringierend (Effekt bei tanninreichen Rotweinen, der nicht mit bitter verwechselt werden darf). Im engeren Sinn besteht der Geschmack aber nur aus relativ wenigen verschiedenen über die Zunge und zum Teil auch über die Rachenschleimhaut aufgenommenen Geschmacksrichtungen.
Lange Zeit waren nur vier Geschmacksrichtungen bekannt, nämlich bitter, salzig, sauer und süß. In den 1990er-Jahren wurde als fünfte Geschmacksrichtung umami (auch fleischig, herzhaft, wohlschmeckend) definiert und wissenschaftlich anerkannt. Schließlich wurde im Jahre 2011 beim Menschen die Existenz von Rezeptoren für Fett und damit fettig als mögliche sechste Geschmacksrichtung festgestellt. Weitere mögliche in Diskussion befindliche Geschmacksqualitäten sind „Wasser“ (schmeckt in reiner Form „nach nichts“), metallisch und alkalisch. Die Wahrnehmung eines Geschmacksstoffes hängt je nach Stoff unterschiedlich von der Menge ab und wird als Wahrnehmungs-Schwelle (Grenze) bezeichnet.
Die Rezeptorzellen für den Geschmack sind in Knospen angeordnet, die sich auf der Zunge in den Geschmackspapillen, aber auch in den Schleimhäuten der Mundhöhle befinden. Etwa 25% sind auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge, weitere 50% auf dem hinteren Drittel angeordnet. Die übrigen verteilen sich auf Gaumensegel, Kehlkopf, Nasenrachen und die obere Speiseröhre. Auf der Zunge gibt es für die einzelnen Geschmacksrichtungen konzentrierte Bereiche. Für süß ist dies die Zungenspitze, für salzig der vordere und für sauer der hintere Zungenrand-Bereich (jeweils links und rechts), sowie für bitter die obere Zungenfläche im hinteren Bereich. Die Bereiche sind aber nicht klar abgegrenzt, sondern fließend.
Die Geschmacksempfindung wird an das Gehirn weitergeleitet und hier erst „übersetzt“ bzw. identifiziert und wahrgenommen. Die Störung der geschmacklichen Wahrnehmung wird als Dysgeusie, der Ausfall des Geschmackssinns als Ageusie bezeichnet. Beides kann durch verschiedene Erkrankungen, aber auch durch Medikamente hervorgerufen werden. Der Geschmack wurde im Verlaufe der Evolution entwickelt, um für das Überleben notwendige Rückschlüsse auf den Nährwert und die Verträglichkeit von Nahrungsmitteln zu ermöglichen. So steht süß für kohlenhydrat-, sowie fett und umami für proteinreiche Speisen, die einen hohen Nährwert aufweisen. Der Salzgeschmack bzw. Hunger auf Salziges wiederum hilft dem Menschen dabei, den Mineralhaushalt im Körper möglichst im Gleichgewicht zu halten. Bitterer und saurer Geschmack hingegen sind eine Warnung und weisen auf möglicherweise giftige Nahrunm oder verdorbene Lebensmittel hin.
Die Zahl der Papillen nimmt ständig ab, daher wird der Geschmackssinn mit zunehmendem Alter schwächer. Der Mensch ist in der Lage, biologisch/genetisch negativ besetzte Sinneseindrücke als positiv umzulernen. Dabei spielt auch sozialer Druck eine wesentliche Rolle. Es schaffen zum Beispiel nur wenige, sich dem Bier zu widersetzen, so widerlich bitter es beim erstmaligen Genuss auch schmecken mag. Für die gustatorischen (g) und trigeminalen (t) Empfindungen sind hauptverantwortlich:
Die vielen Aromastoffe (Duftstoffe) hingegen werden von Rezeptoren auf einer briefmarkengroßen Fläche im oberen Nasenhöhlen-Raum als Geruch wahrgenommen. Beim Genuss von Speisen und Getränken wie auch beim Weingenuss vermischen sich diese erst im Gehirn empfangenen Eindrücke von Zunge und Nase zu einem Gesamt-Eindruck, sodass der definitive Ursprung nicht mehr nachzuvollziehen ist. In Kombination der Geschmacks-Empfindungen und in Ergänzung mit den Düften entsteht eine komplexe Vielfalt von Sinnesnuancen.
Die menschliche Nase ist mit dem Geruchssinn aber der Zunge und dem Gaumen bzw. dem Geschmackssinn bei weitem überlegen. Jeder kennt das Phänomen, dass man bei einem Schnupfen zwar immer noch gut die Geschmacksrichtungen identifizieren kann, die Speisen jedoch „nach nichts schmecken“ - korrekterweise müsste es aber heißen „nach nichts riechen“. Die Geschmacksrichtungen beziehen sich auf den Gehalt an unvergorenem Restzucker und werden in der Bandbreite trocken bis süß dargestellt. Diese Begriffe sind weingesetzlich mit Gramm/Liter geregelt. Siehe diesbezügliche tabellarische Aufstellungen unter den Stichwörtern Schaumwein (Sekt, Champagner etc.) und Zuckergehalt (Stillwein).
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Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach