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Lexikon
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Hybriden

hybride (F)
ibrido (I)
hybrid (GB)
híbrido (PO)
híbrido (ES)
hybride (N)

Bedeutet „aus zweierlei Herkunft“ oder „durch Mischung entstanden“ bzw. umgangssprachlich (manchmal auch abwertend) auch Mischling, Bastard oder Blendling. Im naturwissenschaftlichen Sprachgebrauch wird darunter ein Lebewesen (Pflanze, Tier) verstanden, das durch Kreuzung von Eltern unterschiedlicher Zuchtlinien (Gattung = Genus oder Art = Spezies) hervorgegangen ist. Spontan in der Natur ohne menschlichen Eingriff entstandene Kreuzungen werden vor allem bei Pflanzen als Naturhybriden bezeichnet. Im Weinbau werden unter Hybriden nur die Kreuzungsergebnisse zwischen verschiedenen Arten oder Gattungen verstanden. Genau genommen sind aber auch Kreuzungen gleicher Arten bereits Hybriden (intraspezifisch = innerhalb der Art). In der Regel werden aber als Hybriden nur interspezifische oder intergenerische Kreuzungen verstanden. 

Bei Pflanzen sieht das bei weitem nicht so spektakulär aus wie bei Tieren und ist selbst für Fachleute nicht unmittelbar zu erkennen. Ganz anders ist dies bei Hybriden in der Tierwelt, die bekanntesten Beispiele sind Maulesel (Eselstute x Pferdehengst), Maultier (Pferdestute x Eselhengst) und Liger (männlicher Löwe x weiblicher Tiger).

Hybriden Tiere - Liger (Löwe x Tiger) / Zesel (Zebra x Esel)

amerikanische Hybriden

Hybriden im weinbaulichen Sinne sind Kreuzungen zweier verschiedener Spezies. Bei erstmaliger Kreuzung spricht man von Primärhybriden. In der Regel werden aber bei Neuzüchtungen bereits Hybriden mit amerikanischen Genen (z. B. Vitis cinerea, Vitis labrusca, Vitis riparia etc.) mit den gewünschten Eigenschaften mit einer europäischen Kultursorte (Vitis vinifera) gekreuzt. Das Ergebnis sind dann Sekundärhybriden. Die meisten der zum Teil reblaus- und pilzresistenten Sorten sind gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Viele besitzen den aufdringlichen Foxton, was sie zumindest in Europa für die Weinherstellung disqualifiziert. Diese in den USA kreierten Sorten nennt man amerikanische Hybriden, obwohl ja auch europäische Gene enthalten sind. Dies sind Agawam, Albania, Alden, America, Blanc Du Bois, Campbell Early, Cayuga White, Clinton, Concord, Elvira, Delaware, Dutchess, Herbemont, Hopkins, Horizon, Iona, Isabella, Jacquez, Melody, Missouri Riesling, Munson, Niagara White, Norton, Noah, Orlando Seedless, Othello, Rubired, Taylor, Traminette und Vênus.

amerikanische Hybriden - Alden, Blanc du Bois, Clinton, Concord, Noah

französische Hybriden

Die zum Teil komplexen Kreuzungsprodukte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts bezeichnet man als französische Hybriden, weil speziell in Frankreich aber auch anderen Ländern versucht wurde, das Problem des reblausbedingten Rebensterbens durch die Züchtung reblausresistenter Hybridsorten für den Weinanbau zu entschärfen. Dabei mussten natürlich amerikanische Spezies mitverwendet werden. Wertvolle Hilfe leisteten dabei unter anderem der US-Botaniker Thomas Volney Munson (1843-1913) bezüglich Unterlagen, sowie der aus der Schweiz nach Missouri eingewanderte Züchter Hermann Jaeger (1844-1895) bezüglich amerikanischer Hybriden, die dann zur Kreuzung mit europäischen Sorten verwendet wurden.

Es gibt unählieg Kreuzungen von Hybridsorten mit Europäer-Reben der Spezies Vitis vinifera oder anderen Hybridsorten (Sekundärhybriden oder Multihybriden). Beispiele sind unter anderem Aurore, Baco Blanc, Baco Noir, Bellandais, Cascade, Chambourcin, Chancellor, Chardonel, Chelois, Colobel, Couderc Noir, De Chaunac, Etoile I, Etoile II, Flot Rouge, Frontenac, Garonnet, Gloire de Seibel, Léon Millot, Lucie Kuhlmann, Maréchal Foch, Maréchal Joffre, Marquis, Neron, Oberlin Noir, Pinard, Plantet, President, Ravat Blanc, Ravat Noir, Rayon d’Or, Roi des Noirs, Rosette, Roucaneuf, Rougeon, Salvador Noire, Siegfriedrebe, Triomphe d’Alsace, Varousset, Verdelet, Vignoles, Vidal Blanc, Villard Noir und Vivarais.

französische Hybriden - Baco Noir, Chardonel, Márechal Foch, Roi des Noirs, Vidal Blanc

Züchtung reblausrestitenter Sorten

Als man die Reblaus als Ursache des Weingartensterbens erkannte, wurde ab den 1880er-Jahren versucht, durch großangelegte Kreuzungs-Programme reblausresistente Rebsorten mit guter Weinqualität zu züchten. Je mehr Vitis vinifera Anteile diese Hybridsorten jedoch besaßen, desto besser wurde zwar die Weinqualität, jedoch zeigten alle diese Hybriden mit Einkreuzungen von Vitis vinifera keine ausreichende Reblausresistenz. Hingegen waren die reblausfesten Hybridsorten mit geringen oder fehlenden Vitis-vinifera- Anteilen häufig ungenießbar (Foxton) und für die Weinbereitung unbrauchbar. Frühe Zuchtziele waren aber auch schon Resistenz gegen die ebenfalls mit der Reblaus aus Amerika eingeschleppten Schadpilze echter und falscher Mehltau und weitere Rebstock-Feinde, sowie Widerstandsfähigkeit gegen Frost und Dürre und andere Qualitätsverbesserungen.

Hybridenzüchter

Bei der Züchtung der ersten und zweiten Hybriden-Generation waren vor allem die französischen Züchter François Baco (1865-1947), Albert Seibel (1844-1936), Eugéne Kuhlmann (1858-1932), Jean François Ravat (+1940), Bertille Seyve (1864-1939), Jean-Louis Vidal (1880-1976) und Victor Villard tätig. Die französischen Hybriden wurden als Partner für weitere Hybridisationen herangezogen. Der US-Weinbau-Pionier Philip Wagner (1904-1996) führte ab den 1940er-Jahren auf seinem Weingut in Maryland viele nach Amerika ein und war maßgeblich für die Verbteitung an der gesamten Ostküste vverantwortlich. Auch der aus Wisconsin stammende Rebenzüchter Elmer Swenson (1913-2004) verwendete französische Hybriden für seine frostharten Neuzüchtungen. Nur relativ langsam setzten sich auch reine Vitis-vinifera-Sorten durch, ein diesbezüglicher Pionier auf seinem Weingut in den Finger Lakes war der an der Cornell University im US-Staat New York tätige Dr. Konstantin Frank (1897-1985).

Problemlösung durch Veredelung

Bei der Neuzüchtung pilzfester Multihybriden dienen viele dieser Sorten (besonders von Seibel und Seyve-Villard) heute noch als Ausgangsmaterial für die Kreuzungszüchtung. Ab wann diese Kreuzungen nicht mehr als interspezifisch gelten, weil der artfremde Genanteil „gering“ ist, ist ein wichtiger Punkt bezüglich Zulassung für Weine mit Herkunftsangabe. Der Kampf gegen die Reblaus wurde aber nach unzähligen Versuchen letztlich nicht durch Kreuzungszüchtung gewonnen, sondern durch Veredelung, das heißt Aufpfropfen europäischer Edelreiser auf reblausfeste amerikanische Unterlagen. Da die Reblaus nur langsam vordrang, nicht überall gleich stark wütete und manche Hybridensorten zumindest trinkbare Weine lieferten, ignorierten viele Winzer die frühen Kampagnen zur Veredelung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts aus Kostengründen.

Hybridenverbote

Da die hochqualitativen Edelsorten der europäischen Weinrebe Vitis vinifera jedoch nur als kostenintensivere Pfropfreben überleben konnten, wurden in dieser Zeit in Deutschland und Österreich-Ungarn strenge Gesetze gegen die Hybriden erlassen. Nach damaligem Wissensstand wurden die Diskussionen sehr emotional und aus heutiger Sicht mit absurden Argumenten geführt. Im 1929 erschienenen Buch „Die Direktträger“ von Dr. Fritz Zweigelt (1888-1964) steht darüber wie folgt: Die spezifischen Giftwirkungen sind Neigung zu Halluzinationen, Zornexzesse bei Männern, Hysterie bei Frauen, geistige und körperliche Degenerations-Erscheinungen bei Kindern. Leute, die regelmäßig Noah-Wein trinken, bekommen eine fahle, blasse Gesichtsfarbe, zittern am ganzen Körper und siechen dahin. Bauern mit veredelten Weingärten hingegen sind gesund, arbeitsam und haben zahlreiche Kinder. In Frankreich tragen die Direktträger zur Füllung der Irrenhäuser bei.

Damit wurden die Winzer unter Druck gesetzt, ihre Amerikaner-Reben zu roden und stattdessen veredelte Reben zu pflanzen. In vielen Weingärten überdauerten aber diese pflegeleichten, ertragreichen Sorten, denn sie waren pilzfest und reblausresistent. Oft wurden sie als Tafeltrauben, sowie für Weingelee, Marmelade und Essig verwendet, zum Teil aber kelterte man auch Weine daraus. Viele Winzer weigerten sich deshalb lange, ihre Amerikaner-Reben zu roden, deshalb wurde ein schrittweises Verbot durchgesetzt. Im österreichischen Burgenland betraf dies zum Beispiel i1926 die Rebsorte Noah. Im Jahre 1929 wurden solche Weine oder der Verschnitt mit ihnen verboten und 1936 ein generelles Auspflanzverbot beschlossen. Nur die Erzeugung von Tresterwein für den eigenen Gebrauch war erlaubt. Erst im Jahre 1991 erfolgte eine Entkriminalisierung. Gemäß EU-Verordnung ist die Neuanpflanzung verboten, für bestehende Rebflächen gibt es noch Verwendungsfristen. Beispiele dafür sind die Weine Americano (Schweiz), Fragola (Italien) und Uhudler (Österreich) mit drei der zugelassenen Sorten im Bild.

Uhudlersorten - Elvira, Delaware und Concord

EU-Verordnung bez. Hybriden

Gemäß EU-Verordnung dürfen aus Sorten interspezifischer Kreuzungen keine Weine mit Herkunftsangabe erzeugt werden. Andererseits kann aber jeder Mitgliedsstaat unter Beachtung von Einschränkungen selbst bestimmen, welche Sorten er dafür verwenden möchte, bzw. welche er als Qualitätswein-Rebsorten festlegt. Streng genommen wären sämtliche Kreuzungen mit Amerikaner- oder Asiaten-Reben ausgeschlossen. Dies brachte aber einige Probleme bei Neuzüchtungen mit sich, denn unter dem Begriff PIWI (pilzwiderstandsfähig) soll als wichtiges Zuchtziel eine möglichst hohe Resistenz gegen Pilze wie Botrytis und beide Mehltauarten, andere Schädlinge oder Umweltbedingungen wie Frost erreicht werden. Dies erfordert jedoch asiatische/amerikanische Spezies, da viele der Vitis-vinifera-Sorten in der Regel keine ausreichende Resistenz besitzen.

Wegen der Sorte Regent gab es diesbezüglich einen Streit zwischen Deutschland und der EU. Es ging um die Frage, ob Regent als Hybride zu betrachten sei. Sie besitzt aufgrund ihrer amerikanischen Vitis-labrusca-Gene mit 200 bis 300 mg/l einen hohen Anteil des Anthocyans Malvidin-3,5-Diglucosid. Diese als „Hybridenfarbstoff“ bezeichnete Substanz beeinträchtigt zwar weder Gesundheit noch Geschmack, beweist durch das Vorhandensein jedoch amerikanische Gene und ist auf Empfehlung der INAO auf maximal 15 mg/l Gehalt in einem Qualitätswein festgelegt. Die Bezeichnung „Hybriden-“ oder „Direktträgerfarbstoff“ ist aber irreführend, weil auch nicht gekreuzte und/oder veredelte Labrusca-Reben den Farbstoff besitzen.

Qualitätsstudie

Das Verbot von interspezifischen Kreuzungen für Weine mit Angabe der Herkunft (Qualitätsweine, Landweine) wurde seitens der EU hauptsächlich immer mit einer mangelnden Weinqualität begründet. Um diesbezüglich eine objektive Entscheidungs-Grundlage zu liefern, wurde im Auftrag der Europäischen Kommission im Jahre 2003 von externen Auftragnehmern aus Deutschland, Frankreich und Ungarn eine Studie durchgeführt. Die Forschungsarbeiten und wissenschaftlichen Daten wurden bei der INRA sowie in Geisenheim erhoben. Die Studie sollte die Antworten auf folgende drei Fragen liefern: 1) Bestehen Qualitäts-Unterschiede zwischen Weinen aus Vitis Vinifera Sorten und Weinen aus interspezifischen Sorten? 2) Ist es durch Verwendung von interspezifischen Rebsorten möglich, den Pflanzenschutzmitteleinsatz im Weinbau zu verringern? 3) Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hätte die Verwendung von interspezifischen Rebsorten?

Für die Studie wurden 18 interspezifische Rebsorten bzw. daraus gekelterte Weine einbezogen. Die Sorten Baco Blanc, Baco Noir, Bianca, Chardonel, Couderc Noir, Medina (1), Seyval Blanc, Traminette, Vidal Blanc, Villard Blanc, Villard Noir und Zala Gyöngye wurden in die drei Gruppen „Old interspecific varieties“, „Central European interspecific varieties“ und „New mildew resistant interspecific varieties developed outside EU“ eingeteilt. Die vier deutschen Neuzüchtungen Johanniter, Merzling, Regent und Rondo beinhalten zwar ebenfalls in geringem Umfang artfremde amerikanische und asiatische Gene, wurden aber als vierte Gruppe als Referenz-Sorten mit „Fungus tolerant Vitis-vinifera varieties“ zusammengefasst. Begründet ist dies durch Rückkreuzungen der Erstergebnisse mit den beteiligten Vitis-vinifera-Sorten. Die Sorte Regent wurde als „not considered as interspecific“ erwähnt und als der Spezies Vitis vinifera zugehörig betrachtet, obwohl auch sie artfremde Gene besitzt.

Hinsichtlich der Weinqualität ergab die Studie, dass sowohl schlechte als auch gute Qualität erzielbar ist, vorausgesetzt die interspezifischen Rebsorten werden hinsichtlich ihrer Anbaupraktiken entsprechend kultiviert und auf angemessenen Flächen angepflanzt. Bezüglich der Auswirkungen auf die Umwelt ergaben sich sehr positive Ergebnisse. Die Verwendung von Pestiziden würde sich beim Einsatz interspezifischer Sorten beträchtlich verringern. Eine besondere Eignung wird ihnen insbesondere im Biologischen Weinbau zugestanden. Betrachtet die man die Auswirkungen auf das Marktgleichgewicht, so schätzt die Studie, dass eine verstärkte Verwendung interspezifischer Sorten innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Anstieg der Produktion um rund 1,8% in der EU verursachen würde und somit die wirtschaftlichen Auswirkungen zu vernachlässigen sind.

In letzter Konsequenz schlagen die Autoren der Studie vor, dass derzeitige Verbot der Verwendung von interspezifischen Rebsorten weiterhin aufrecht zu erhalten, um solcher Art einen Anreiz für weitere Forschungsarbeiten zu bieten, die neue und bessere interspezifische Sorten hervorbringen würde. Die Studie wurde aber in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich aufgenommen und zeigt anschaulich die Probleme innerhalb der Europäischen Union, für 27 Länder und mehr einheitliche, von allen akzeptierte Regeln zu erstellen. Dänemark, England, Niederlande und Schweden sind für die Aufhebung des Verbotes. Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sind hingegen für die Beibehaltung. Die Länder Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Österreich wiederum begrüßen grundsätzlich Studie und Zielsetzung, sehen die Forschungsarbeiten jedoch erst am Beginn. Siehe auch unter Reben-Systematik sowie eine Aufstellung rebsortenrelevanter Stichwörter unter Weinrebe.

Tiere: Von Алексей Шилин - eigenes Werk, Gemeinfrei, Link
Rebsorten: Ursula Brühl, Doris Schneider, Julius Kühn-Institut (JKI) 

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Prof. Dr. Walter Kutscher

Früher benötigte man eine Fülle an Lexika und Fachliteratur, um im vinophilen Berufsleben up to date zu sein. Heute gehört das Weinlexikon von wein.plus zu meinen besten Helfern, und es darf zu Recht als die „Bibel des Weinwissens“ bezeichnet werden.

Prof. Dr. Walter Kutscher
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