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Klon

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Durch ungeschlechtliche Fortpflanzung aus einem Organismus hervorgegangene Nachkommenschaft (grch. Zweig oder Reis). Beim Menschen bilden eineiige Zwillinge einen natürlichen Klon (mit aber unterschiedlichen Fingerabdrücken). Bei Pflanzen nennt man dies vegetative Vermehrung, wenn aus bestimmten Gewebeteilen einer Ausgangspflanze neue Pflanzen regeneriert werden. Dabei entstehen zunächst genetisch völlig identische Lebewesen mit erbgleichen Eigenschaften, die zu 100% identische Kopien (Duplikate) des Ausgangs-Typus darstellen. Durch spontan auftretende und sich während der Lebensphase anhäufende Mutationen weichen diese Kopien in kleinen Schritten langsam, aber stetig von der Ausgangsrebe ab. Jedoch erst ab einem gewissen größeren morphologischen und genetischen Veränderungs-Umfang kann man von Mutanten sprechen.

somatische Chimären

Bei den somatischen Chimären treten die Mutationen gewebespezifisch auf. Die äußeren Epidermiszellen oder die inneren Zellschichten können eine oder mehrere Mutationen aufweisen. Solche Chimären dürften bei der Rebe sogar die Regel sein, denn mit den ersten Teilungen des Embryos wird die prinzipielle Zweiteilung der Gewebeschichten in Epidermis und innere Zellschichten für immer deterministisch festgelegt. Diese Zweiteilung der Grundgewebe ist in jeder neu gebildeten Achselknospe bereits ebenfalls enthalten, so dass Chimerismen bei der vegetativen Vermehrung über Stecklinge ebenfalls multipliziert werden. Hingegen werden bei der geschlechtlichen Fortpflanzung zwei Elternsorten gekreuzt, so dass aus jedem befruchteten Samen eine neue Rebsorte auswächst, die je zur Hälfte die neukombinierten Erbanlagen beider Elternteile aufweist. So entstehen also durch gezielte Kreuzungs-Züchtung auf geschlechtlichem Wege neue Rebsorten. Durch somatische Mutationen und vegetative Vermehrung entstehen jedoch Klonvarianten, Mutanten und Chimären.

Klon, Mutant und Klonmutant

Die drei Begriffe Klon, Mutant und Klonmutant werden im Weinbau für die abstammungsmäßige Defintion eines Rebstocks umgangssprachlich oft gleichbedeutend verwendet, was aber nicht korrekt ist, denn ein Klon im streng naturwissenschaftlichen Sinn ist eine identische Kopie des Originals, während ein Klon im weinbaulichen Sinn eine mutierte Klonvariante darstellt und nicht mehr zu 100% identisch mit der Ausgangspflanze ist. Klone von Rebsorten werden in der Praxis erst dann als Klone angesprochen, wenn sie sich in einigen sicht- oder messbaren Einzelmerkmalen zumindest leicht vom Ausgangstyp unterscheiden lassen, also bereits mutiert sind. Solche Mutationen treten spontan und häufig als Knospen-Mutationen auf. Später nach dem Austrieb werden sie durch die vegetative Vermehrung der mutierten Triebe vervielfältigt.

Unter Klonmutant wird ein in einigen Merkmalen abweichenden Klon (Duplikat) einer Sorte verstanden. Klonmutanten entstehen durch spontane Mutation eines Fruchttriebs, der aufgrund seiner abweichenden Eigenschaften selektiert und vegetativ weiter vermehrt wurde. Es ist aber ein etwas ungenauer Begriff, die Grenzen zwischen Klon (was ja genau genommen ein hundertprozentiges Duplikat bedeutet), Klonmutant und Mutant sind fließend. Einfach ausgedrückt lassen sich Klonmutanten eher durch Verschiebungen bei den quantitativen Merkmalen charakterisieren (höheres Mostgewicht, weniger Ertrag, stärkerer Wuchs) als durch klare visuelle Abgrenzungen aufgrund qualitativer Merkmale (Beerenfarbe/form, Blattbehaarung, Frühreife). Die Pinot-Spielarten Blauer Arbst, Frühburgunder, Pinot Liébault, Pinot Mariafeld, Pinot Tete de Negre, Pinot Teinturier und Samtrot werden oft unterschiedlich als Klon, Klonmutant, Mutant, Biotyp oder Varietät bezeichnet.

Rebsorten-Klone/Mutationen 

Diese Mutanten können erneut mutieren und sich zu selbständigen Mutationslinien weiterentwickeln. So haben sich vor allem bei alten, weit verbreiteten und millionenfach vervielfältigten Sorten wie Chasselas, Pinot oder Traminer mehrere regionale Abstammungszweige mit eigenständigen Rebsortenklonen entwickelt. Sehr auffällige Rebsortenklone sind zum Beispiel Pflanzen, deren Beerenfarbe von blau zu violett, grau oder rot bzw. zu gelb und grün mutiert ist. Rebsorten wie Chasselas Blanc, Chasselas Rose und Chasselas Rouge, sowie Pinot Gris und Pinot Blanc und viele andere sind solche Beerenfarbmutanten. Die Beerenfarbe bestimmenden Anthocyane (rote Farbstoffe) werden in den Zellen biochemisch in einer Kette von Syntheseschritten erzeugt. Durch eine oder mehrere Mutationen wird diese Kette in den zugrunde liegenden Genen unterbrochen, so dass weniger Farbpigmente oder nur die farblosen Vorprodukte gebildet werden. Dadurch fehlt entweder die Farbe ganz wie beim Pinot Blanc oder es wird weniger blaue Farbe gebildet und es entsteht der Eindruck einer Art Mischfarbe wie beim Pinot Gris. Beide sind aus dem Pinot Noir mutiert und eigentlich handelt es sich um eine Rebsorte.

Pinot-Sorten - Pino Blanc, Pinot Gris, Pinot Noir, Pinot Meunier, Frühburgunder

Im Extremfall findet man sogar an einer einzelnen Traube unterschiedlich gefärbte Beeren. Offenbar kann diese Mutation wieder rückmutieren, so dass man gelegentlich Pinot Blanc mit grauen und weißen Trauben an einer Pflanze findet. Obwohl man diese Farbvarianten in blau, weiß oder grau weder am grünen Blatt noch genotypisch unterscheiden kann, wurden sie vor langer Zeit mit eigenen Namen versehen und wie eigenständige Rebsorten behandelt. Dazu trugen snatürlich auch die durchaus verschiedenen Weineigenschaften der Farbvarianten bei. Ein weiteres Beispiel sind die genotypisch identischen „Sorten“ Gewürztraminer, Roter Traminer und Weißer Traminer, die sich nur durch unterschiedliche Geschmacksintensität der Beeren und des Weins unterscheiden. Obwohl es sich streng genommen „nur“ um mutierte Klonvarianten handelt, werden diese Sortenvarianten nach wie vor wie eigenständige Sorten behandelt, obwohl alle drei der einen Sorte Traminer zuzuordnen sind.

Sämlinge

Diese allgemein angewandte Praxis verwässert aber den eigentlich biologisch ganz klar definierten Rebsortenbegriff. Denn es werden die aus Klonen-Selektion hervorgegangenen, auffälligen Sortenvarianten fälschlicherweise gleichbehandelt, wie die aus einer Sämlingsvermehrung hervorgegangenen Sorten (nur diese können im strengen Sinne als eigenständig bezeichnet werden). Genotypisch differenzierbare Sorten sind immer selektierte Sämlinge. In der Praxis fungieren auffällige Klonmutanten wie Pinot Blanc oder Pinot Meunier eben als eigenständige Sorte, obwohl es keine Sämlinge des Pinot, sondern Mutanten des Pinot Noir sind. Sie sind zwar äußerlich unterscheidbar, aber genotypisch nicht oder kaum differenziert. Wenn man den Sortenbegriff eng fasst, dann gäbe es erstens Sorten im strengen Sinne (Sämlinge aus generativer bzw. sexueller Vermehrung) und zweitens daraus hervorgegangene Sortenklone (Mutanten aus vegetativer Vermehrung). In der Praxis wird aber alles fälschlicherweise als eigenständige Sorte bezeichnet, was irgendwie noch visuell unterscheidbar ist.

Vermehrung

Durch die früher übliche massale Selektion (Massenselektion) im Weingarten wurden Mutanten bewusst oder unbewusst weitervermehrt, so dass sich Klonvielfalt entwickeln und über Jahrhunderte erhalten konnte. Regional und vor allem in klimatischen oder zonalen Grenzlagen findet man klimaangepasste Klone, da zum Beispiel Frost (besonders Winterfrost) immer scharf selektiert. Größere Umweltanpassungen zum Beispiel an neu eingeschleppte Schaderreger sind durch somatische Mutationen jedoch nicht zu erwarten, da die mutationsbedingten Klonunterschiede die Physiologie und Biochemie der Sortenklone meist nur quantitativ, jedoch nicht grundsätzlich verändern. Und adaptive Veränderungen von Rebsorten auf generativem bzw. sexuellem Weg sind wegen der ausschließlich vegetativen Vermehrungsweise ja ausgeschlossen (unter adaptiv versteht man in der Biologie die Fähigkeit von Organismen, sich an veränderte Umweltbedingungen aktiv anzupassen).

Praxis-Klon

Im modernen Weinbau werden unter einem Praxis-Klon alle Rebstöcke verstanden, die aus der Klonen-Selektion und Prüfung bestimmter, positiv auffallender und selektierter Einzelstöcke (Akzession) hervorgegangen sind. Diese werden in Basisanlagen aufgepflanzt, mehrere Jahre lang beobachtet und sorgfältig auf ihre weinbaulichen Eigenschaften geprüft. Aus diesen Primärklonen wählt man die „besten“ Mutterreben aus, die nach weiterer Prüfung und Zulassung dann in Rebschulen als Ausgangsmaterial für die kommerzielle Massenvermehrung dienen. Von diesen werden die einjährigen Fruchtruten (Edelreiser) abgetrennt, die zu Triebstücken mit Internodium und je zwei knospentragenden Knoten zerschnitten werden. Diese werden auf reblausfeste Unterlagen gepfropft. So kann man aus einer einzigen Mutterpflanze bis zu 50 identische Abkömmlinge erzeugen.

Diese Klonkopien sind anfangs genetisch völlig identisch mit der Mutterrebe, können über die Jahrzehnte jedoch ebenfalls Mutationen anhäufen. Diese jungen Mutationen im Weinberg sind jedoch nicht mehr züchtungsrelevant, da in den modernen, zumeist nur aus einem Sortenklon aufgebauten und nach 30 Jahren wieder gerodeten Wirtschaftsanlagen keine Klonen-Selektion mehr betrieben wird. In den Weinbau-Ländern ist die Klonen-Zucht streng geregelt und wird amtlich kontrolliert. Jeder Klon erhält eine Zucht-Nummer und muss (wie eine neue Rebsorte) für die Erzeugung von Qualitätswein offiziell anerkannt werden. Dabei ist die Virenfreiheit des Zuchtmaterials eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassung. In Frankreich gibt es z. B. rund 50 anerkannte Klone vom Pinot Noir, mit im Detail doch recht unterschiedlichen Eigenschaften.

Klone in Rebschulen

In den Rebschulen sind in der Regel unterschiedliche Klone von Rebsorten erhältlich. Sie unterscheiden sich jedoch häufig nur marginal in einem nur über die Jahre messbaren, etwas erhöhten Ertrag oder einer etwas höheren Zuckerausbeute. Diese zumeist auf Höchsterträge selektierten Massenklone spiegeln nicht die tatsächlich entwickelte Klonvielfalt einer Rebsorte wieder, die bei alten Sorten hinsichtlich der morphologischen, biochemischen und genetischen Unterschiede durchaus beträchtlich sein kann. Durch die Kommerzialisierung der vegetativen Rebenvermehrung in Rebschulen und die einseitige Ausrichtung auf wenige Praxisklone ist die Klonvielfalt der meisten Sorten bereits auf wenige überlebende Exemplare geschrumpft, die zudem noch häufig virös sind. Das heißt, dass alle Reben in einem Weingarten von einer einzigen Mutterpflanze abstammen und gentechnisch identisch sind. Aber es ist zunehmend wieder üblich, in einem Weingarten verschiedene Sortenklone einzusetzen, um eine gewisse Risikostreuung zu erreichen. Siehe auch unter DNA, Klonen-Selektion, Mutation, Zertifizierung von Rebstöcken und Züchtung, sowie eine Aufstellung relevanter Stichwörter unter Weinrebe.

Bilder: Ursula Brühl, Doris Schneider, Julius Kühn-Institut (JKI)

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Thorsten Rahn

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Thorsten Rahn
Restaurantleiter, Sommelier, Weindozent und Autor; Dresden

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