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koscherer Wein

Der Weingenuss spielte im jüdischen Leben bei allen Festen seit jeher eine bedeutende, rituelle Rolle, mit vielen Beispielen im Alten Testament der Bibel. Ein maßvoller Konsum wird den Gläubigen als der Gesundheit zuträglich empfohlen. Beim Sabbat wird Wein zu Beginn (Kiddusch) und am Ende (Havdala) getrunken. Am Beginn des Sabbats (Freitagabend) wird ein Becher mit Wein (Kidduschbecher) während der Feier viermal gefüllt. Zuerst spricht der Vater den Segen über den Wein: Gepriesen seist du, Gott unser Herr, Herrscher des Himmels und der Erde, der du die Frucht der Rebe geschaffen hast. Dann trinkt er einen Schluck Wein und reicht ihn an alle weiter.

koscher auf hebräisch / koscherer Weingarten

Der Wein ist ein Symbol der Freude, dass Gott dem Jüdischen Volk den Sabbat geschenkt hat. Am Ende des Sabbats (Samstagabend) wird als Ritual ein Becher mit Wein so voll eingegossen, dass er überfließt. Dies soll den überströmenden Segen Gottes für den Sabbat und die kommende Woche sybolisieren. In diesem Zusammenhang wird des Öfteren auch der Begriff „Kiddusch-Wein“ (Segens-Wein) verwendet. Auch beim vom 15. bis zum 21. Nisan (erster Monat nach dem „religiösen“ Kalender) gefeierten Passahfest, das in Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und damit Befreiung aus der Sklaverei gefeiert wird, hat koscherer Wein eine ganz besondere Bedeutung.

Gesetze für Speisen und Wein

Die Jüdischen Gesetze für die Zubereitung von Speisen und Getränken (hebr. Kaschrut) sind im Tanach (normative Bibeltexte, ein Teil davon ist die Tora), im Talmud (Regeln im Alltag) sowie im rabbinischen Schrifttum festgelegt. Lebensmittel und die aus ihnen hergestellten Speisen sind entweder „koscher“ (hebräisch für „rein“, „tauglich“ oder „geeignet“) und damit essbar oder „trefe“ (auch „tame“) und damit unrein und deshalb nicht erlaubt. Die Herstellung von „Jájin kaschér“ (koscherer Wein) unterliegt gegenüber „Jájin stam“ (normaler Wein) ebenfalls strengen Regeln. Diese beziehen sich nicht nur auf Wein, sondern auch auf Essig und sämtliche daraus produzierte Produkte wie Spirituosen.

Weinbereitung

Die gesamte Weinbereitung von der Weinlese im Weingarten bis zur Flaschenabfüllung im Keller muss von einem Rabbi überwacht werden. Erst wenn der Rabbi sicher ist, dass alle in der Folge genannten Vorschriften eingehalten wurden, kann er das für die Beglaubigung als koscherer Wein benötigte Kashrut-Zertifikat unterzeichnen. Alle Tätigkeiten dürfen nur von strenggläubigen, männlichen Juden vorgenommen werden, die den Sabbat einhalten. Das geht im Einzelfall sogar auch so weit, dass niemand Unbefugter den Weinkeller betreten und/oder keinerlei Kellerei-Geräte berühren darf. Da aber im in der Regel auch Männer beteiligt sind, die den Sabbat nicht einhalten, gibt es Ausnahmeregelungen.

Die Trauben dürfen erst vier Jahre nach der Rebpflanzung erstmals gekeltert werden; die Ernten vorher werden vernichtet. Alle im biblischen Land liegenden Weingärten müssen jedes siebente Jahr (Sabbatjahr) brachliegen (Schmittah). Das wird auch umgangen, indem man in diesem Jahr den Weingarten an einen Nichtgläubigen verkauft oder verpachtet und danach wieder zurückkauft. Zwei Monate vor der Weinlese darf nicht mehr organisch gedüngt werden. Eine Mischkultur ist verboten, zwischen den Reben darf weder Obst noch Gemüse wachsen.

koscherer Wein - Etikett, Flasche, Weinshop in New York

Materialien

Nur ausschließlich für koschere Weine verwendete Materialien sind erlaubt. Diese sind vor der Verwendung nach speziellen Riten zu reinigen. Das gilt für Maischewagen, Traubenpresse, Schläuche und Behälter. Die Reinigung erfolgt entweder durch mehrere Bäder in „lebendigem Wasser“ wie Fluss oder Bach, oder durch mehrere Abkochvorgänge. Dies hat keine hygienische Funktion, sondern es geht um rituelle Reinheit. Die Zuführung von Hefen ist untersagt. Die Vergärung erfolgt ausschließlich spontan. Alle Stoffe tierischen Ursprungs wie Gelatine, Kasein und Rinderblut sind unzulässig. Für Schönen ist lediglich Bentonit zugelassen. Für die Filtration dürfen nur Papierfilter verwendet werden.

Alle verwendeten Mittel wie die Korken müssen aus Israel stammen. Eine Flasche darf nicht zweimal mit Wein befüllt werden. Frauen ist während ihrer Menstruation das Betreten des Weinguts verboten. Nach der Fertigstellung des koscheren Weines wird die Zeremonie des „Maaser“ verrichtet. Dabei wird ein Prozent des Weins als Symbol des Zehents für die Hohepriester während der Zeit des Ersten (von Salomon erbaut) und Zweiten Tempels (nach Babylonischem Exil erbaut) weggeschüttet. Ein weiteres Prozent wird kostenlos an Arme abgegeben.

Vorschriften für Weingenuss

Auch für den Genuss gibt es strenge Vorschriften. Ein geöffneter Wein, der von einem Juden, der den Sabbat nicht einhält, oder einem Andersgläubigem berührt oder ausgeschenkt wird, verliert seine koschere Eigenschaft und gilt als „verunreinigt“. Deshalb wird koscherer Wein nur wenige Minuten auf 80 bis 90°Celsius bis zum Dampfaustritt erhitzt und nachher rasch abgekühlt. Die koschere Eigenschaft wird durch diese Blitz-Pasteurisierung „konserviert“. Ein koscherer Wein mit der zusätzlichen Bezeichnung „Jájin Mewuschal“ (gekochter Wein) kann also gar nicht mehr „unrein“ werden.

Bei diesen so behandelten Weinen wäre es einem Böswilligen nicht möglich, den Wein vor dem Servieren absichtlich und missbräuchlich zu verunreinigen. Diese Regelung spielt besonders bei ausschenkenden Betrieben eine wesentliche Rolle. Damit soll jüdischen Gästen garantiert werden, dass bei ihnen koscherer Wein ausgeschenkt wird, unabhängig der Religion des Wirtes bzw. seines Personals. Als strenggläubiger Jude kann man damit sicher sein, keine Regeln zu verletzen. Durch die nur kurze Erhitzung wird die Auswirkung des Kochens auf den ursprünglichen Geschmack des Weines möglichst geringgehalten. Es sind aber durch diese Prozedur doch etwas weniger Aroma-, Gerb- und Farbstoffe enthalten, die Farbe ist etwas dunkler und auch geschmacklich ergeben sich leichte Änderungen.

Weintypen & Produzenten

Bis in die 1980er-Jahre war ein koscherer Wein in der Regel süß, dann erfolgte gemäß dem internationalen Trend eine Wende zu trocken ausgebauten Weinen. In Israel produzieren in der Regel die größeren Kellereien koscheren Weine. Für die kleineren Betriebe ist dies zu aufwändig. Einer der bekanntesten Produzenten ist das von Baron Edmond de Rothschild (1845-1934) gegründete Weingut Carmel. Aber auch außerhalb Israels wird koscherer Wein hergestellt.

In Europa erfolgt dies unter anderem in Deutschland, Frankreich (zum Beispiel Château Valandraud), Italien, Österreich (zum Beispiel von Gerhard Wohlmuth in der Südsteiermark) und Ungarn, sowie in Übersee in Südafrika und in großen Mengen in den USA mit den beiden führenden Firmen Manischewitz und der Royal Wine Corporation mit der Marke „Herzog“. Außerhalb Israels gelten aber „nur“ die ab der Weinlese beschriebenen Vorschriften.

weiterführende Informationen

Auch in den christlichen Religionen spielt Wein eine große Rolle; siehe unter Eucharistie, Messkelch und Messwein, sowie eine komplette Aufstellung relevanter Stichwörter zum Themenkomplex unter Religion.

Etikett: Meknès - Wine label Wine Kasher 1930, Public Domain, Link 
Wine Shop: by Marjory Collins - Public Domain, Link 

Stimmen unserer Mitglieder

Sigi Hiss

Es gibt unübersichtlich viele Quellen im Web, bei denen man sich Wissen über Wein aneignen kann. Doch keine hat den Umfang, die Aktualität und die Richtigkeit der Informationen des Lexikons von wein.plus. Ich benutze es regelmäßig und verlasse mich darauf.

Sigi Hiss
freier Autor und Weinberater (Fine, Vinum u.a.), Bad Krozingen

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