Die Flaschen-Etiketten vieler Weingüter werden heute oft von Künstlern gestaltet. Als Begründer dieses Trends gilt Baron Philippe de Rothschild (1902-1988), der nach dem Zweiten Weltkrieg damit begann. Diesem Beispiel folgten dann viele Produzenten. Siehe die weinrechtlichen Belange unter Etikett, Weinbezeichnungsrecht und Weingesetz.
Das Etikett des berühmten Weinguts im französischen Bereich Médoc wird seit dem Jahrgang 1945 jährlich von einem zeitgenössischen Künstler geschaffen; der erste war der Maler Philippe Jullian. Die Künstler erhalten als Honorar einige Kisten des betreffenden Jahrganges. Der Jahrgang 2003 zeigt als seltene Ausnahme kein Künstlerbild, sondern als Hommage ein Foto des legendären Gründers Barons Nathaniel de Rothschild (1812-1870) mit dem historischen Kaufvertrag vom 11. Mai 1853. Dieses Etikett und weitere Beispiele sind bei der Beschreibung des Château Mouton-Rothschild enthalten.
Eine Besonderheit des deutschen Weingutes Balthasar Ress im Rheingau sind von verschiedenen Küstlern gestaltete Flaschen-Etiketten. Catherine und Stefan Ress gaben im Jahre 1978 beim deutschen Maler Heinz te Laake (1925-2001) ihr erstes Künstleretikett in Auftrag. Dabei gaben sie die komplette Flasche zur Gestaltung frei. Die Künstler können völlig frei Etiketten-Papier, Druckverfahren sowie auch die Form und Farbe der Flaschenkapsel selbst bestimmen. Die Etiketten sind eigens für den Flaschenbauch konzipiert und es werden ausschließlich Spitzenweine ausgezeichnet. Beginnend links oben Bob Bonies (1976), Otmar Alt (1983), Heinz te Lake (1976), Julio Herrera Zapata (1982), Gi Waesche (1991) und Heinrich Richter (1976).
Die Etiketten werden von der Weingutsbesitzerin Gabriella Rallo kreiert. Den Namen gab die aus Neapel vor dem napoleonischen Heer flüchtende Königin Maria Carolina von Habsburg-Lothringen (Donnafugata = flüchtende Frau). Das Weingut-Wahrzeichen ist ein die Königin darstellender Frauenkopf mit wehenden, langen Haaren.
Die Künstler gestalten nicht nur das Etikett, sondern auch ein Umschlagpapier, in dem die Flaschen eingewickelt sind. Im Bild unten sind 30 Jahrgänge bzw. Flaschen ab 1981, darunter fünf Etiketten zu sehen.
Der „Wein des Friedens“ wurde im Jahre 1985 kreiert. Auf dem Weinberg „Vigna del Mondo“ mit 2,5 Hektar Rebfläche werden rund 600 Rebsorten aus der ganzen Welt kultiviert und daraus von 1985 bis 2012 die Cuvée „Vino della Pace“ gekeltert. Die Etiketten wurden jährlich von drei namhaften Künstlern entworfen. Alle Staatsoberhäupter der Welt und damit auch der Papst (das sind rund 200) erhielten jährlich drei Flaschen Friedenswein zugesendet.
Ab Anfang des 21. Jahrhunderts wurde es speziell für Markenweine aus Übersee Mode, Tiere auf Etiketten abzubilden, wofür der Begriff Critters (Vieh, abgeleitet von den kleinen Monstern aus dem gleichnamigen Film) kreiert wurde. Beispiele für solche Etiketten siehe unten (Sonderabfüllung für Wein & Co, Weingut Andreas Tscheppe, Südsteiermark, Österreich).
Château Mouton-Rothschild-Etiketten: © tokyofoodcast @Flickr.com
Für meine langjährige Tätigkeit als Lektorin mit wein-kulinarischem Schwerpunkt informiere ich mich bei Spezialfragen immer wieder gern im Weinlexikon. Dabei führt spontanes Lesen und das Verfolgen von Links oft zu spannenden Entdeckungen in der weiten Welt des Weins.
Dr. Christa Hanten
Fachjournalistin, Lektorin und Verkosterin, Wien