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Molekulargenetik

molecular genetics (GB)

Bezeichnung für ein Teilgebiet der Molekularbiologie zur Erforschung der Struktur des Genoms (Gesamtheit der Erbsubstanz in einem Organismus) und der Funktion sowie des Zusammenwirkens von Genen (der in den Chromosomen jedes Zellkerns auf dem DNA-Strang lokalisierten Erbfaktoren). Genetic engineering oder Gentechnik ist die Anwendung genetischer Methoden für die Praxis und bedeutet zumeist die künstliche Genmanipulation mit dem Ziel der Neueinbringung von gewünschten, bislang nicht vorhandenen Eigenschaften wie Resistenz gegen Pilzkrankheiten in einen bestehenden Organismus durch die technisch machbare Einpflanzung einzelner nachgebauter Fremdgene aus artfremden Organismen in das Genom einer Sorte oder Rasse.

Molekulargenetik - DNA-Stränge

Polymerase Chain Reaction

Seit der Erfindung der PCR-Methode (Polymerase Chain Reaction) zur Vervielfältigung kleinster DNA-Mengen in den 1990er-Jahren lassen sich Rebsorten nun auch mit Hilfe molekulargenetischer Charakterisierungs-Methoden als Sorten genotypisch eindeutig charakterisieren, definieren und wiedererkennen. Damit wurde der Genotyp in die Ampelographie eingeführt, der als Ergänzung zur traditionellen, visuell auf dem Phänotyp basierenden Ampelographie zur Klärung vieler noch offener Fragen beitragen kann. Jede eigenständige, aus einem Samen gekeimte Rebsorte wird durch einen unverwechselbaren Genotyp repräsentiert, der durch die einzigartige Neukombination mütterlicher und väterlicher Erbanlagen während der Befruchtung charakterisiert wird und im Zellkern jeder Pflanzenzelle vorhanden ist. Jede aus sexueller Vermehrung entstandene Rebsorte weist ein individuelles genetisches Muster auf, das es von allen anderen Rebsorten unterscheidet.

Mikrosatelliten-Analyse

Für genotypische Vergleiche bzw. die Identifikation von Rebsorten sowie der Feststellung des Elternpaares bedient man sich des sogenannten genetischen Fingerabdrucks, der mit einer Mikrosatelliten-Analyse erstellt werden kann. Die Mikrosatelliten sind durch molekulare Marker definierte, wieder auffindbare Bereiche innerhalb der langen DNA-Kette, die eine unterschiedliche Anzahl sich wiederholender Basensequenzen aufweisen. Diese beim gegebenen doppeltem Chromosomensatz der Rebe (2 x 19 = 38) sich zweifach wiederholenden Sequenzen können sowohl zwischen zwei homologen Chromosomen als auch von Rebsorte zu Rebsorte unterschiedlich lang sein. Man kann diese Sequenzen als Einzelfragmente kopieren und vervielfältigen, so dass man ein durch die Länge dieser Genomfragmente ein bestimmtes Merkmal erhält.

genetischer Fingerabdruck

Viele solcher immer paarweise vorhandener Fragmente von mehreren Genorten ergeben ein sortentypisches und diese Sorte kennzeichnendes Fragmentmuster, das mit den Fragmentmustern anderer Rebsorten abgeglichen werden kann. Dieses Fragmentmuster ist sozusagen ein genetischer Fingerabdruck (Fingerprint). Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Rebsorten das gleiche Muster aufweisen, beträgt statistisch etwa 1:6 Millionen, bei nur etwa 14.000 existierenden Rebsorten und Zuchtstämmen eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit. Innerhalb der europäischen Rebenzucht-Anstalten gibt es eine Übereinkunft, dass es zur genotypischen Charakterisierung von Rebsorten deshalb bereits ausreicht, den Genotyp an sechs definierten Genorten (Mikrosatelliten) zu bestimmen, um das Profil einer Sorte eindeutig zu definieren.

visuelle Identifikation mittels Phänotyp

Vor der Methode der Mikrosatelliten-Analyse waren Sortenvergleiche und Sortenabgrenzungen nur über die vergleichende Morphologie (äußere Gestalt) des Rebstocks möglich. Man beschrieb die sortentypischen Eigenschaften und versuchte Merkmale herauszufiltern, die es erlaubten, die Sorten zu identifizieren und abzugrenzen. Diese morphologischen Merkmalskataloge beschreiben den Phänotyp der Rebsorte. Beide Ansätze haben Vorteile und Nachteile, ergänzen sich jedoch wunderbar. Genetische Analysen im Labor benötigen nur eine geringe Menge Erbsubstanz als Ausgangsmaterial, die Untersuchungen sind nicht von äußeren Bedingungen abhängig wie Jahreszeit, Pflanzenalter, Gesundheitszustand, Virusstatus oder Wuchsbedingungen am Standort, die den Phänotyp (das Äußere) bis zur Unkenntlichkeit entstellen können.

Farbmutationen

Laboruntersuchungen können nicht einfach blind an Tausenden Rebstöcken im Feld durchgeführt werden, wie das schnell und ohne weitere Kosten mit dem geschulten Auge des Ampelographen möglich ist. Auch können Sorten, die als mutierte Klone oder somatische Chimären aus vegetativer Vermehrung entstanden sind, nach wie vor besser phänotypisch unterschieden werden. Denn die Farbmutanten des Pinot Noir, nämlich Pinot Gris und Pinot Blanc, sind genau genommen keine eigenen, sondern unterschiedliche Beerenschale-Farbvarianten derselben Rebsorte. Es handelt sich dabei um einen spezifischen Mutationsprozess, der zum Verlust der dunklen Farbe führt. Somatische Chimären wie Pinot Meunier (Schwarzriesling) oder Garnacha Peluda lassen sich viel einfacher und schneller visuell durch die starke Blattbehaarung von den Ursprungssorten Pinot Noir bzw. Garnacha Tinta differenzieren als durch aufwändige genetische Analysen.

Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Noir

Zur Charakterisierung mittels Mikrosatelliten-Analyse reichen erfahrungsgemäß diese sechs festgelegten Marker aus. Für die Aufklärung von Verwandtschaften oder gar die Abgrenzung von Klonen und somatischen Chimären innerhalb einer Sorte muss man deutlich mehr Marker verwenden. Es gibt aber die seltene Ausnahme, dass zwei äußerlich verschiedene Phänotypen (Sorten) dasselbe genotypische Profil an sechs Markern aufweisen. So etwas kann dann auftreten, wenn sich aus einer Rebsorte durch Mutationen in speziellen Zellschichten eine somatische Chimäre abgezweigt hat. Auch bei Sorten, die durch Selbst- bzw. Rückkreuzung (Mutter mit Kind) entstanden sind, können noch sehr stark ähneln. Gerade bei Geschwistersorten mit denselben Eltern kann dies manchmal zum Misserfolg beim rein visuellen Identifizierungs-Versuch führen.

Abstammung / Elternschaft

Seit Mitte der 1990er-Jahre beschäftigt man sich mit der genetischen Charakterisierung von Rebsorten. Als Basis für Vergleichszwecke wurden die Fingerabdrücke der mehrere tausend Sorten des weltweit größten Rebsortiments in der Domaine de Vassal bei Montpellier analysiert. Eine zentrale europäische Rebsortendatenbank ist im Entstehen (siehe auch VIVC). In den letzten Jahren wurde die Abstammung hunderter Rebsorten festgestellt bzw. in vielen Fällen auch gegenüber den von den Züchtern recht häufig falsch angegebenen Informationen berichtigt. Bedeutende Ampelographen bezüglich DNA-Analyse sind Alain Bouquet, Dr. Jean-Michel Boursiquot, Thierry Lacombe (Frankreich), Javier Ibáñez (Spanien), Dr. Erika Maul (Deutschland), Dr. Carole P. Meredith (USA), Dr. Ferdinand Regner (Österreich), Anna Schneider (Italien) und Dr. José F. Vouillamoz (Schweiz).

Über die DNA-Analyse der Chloroplasten kann auch die Kreuzungsrichtung überprüft werden (Mutter und Vater), denn diese speziellen Organzellen werden nur von der Muttersorte weitergegeben. Im Jahre 1997 gelang es Meredith und Bowers an der University of California erstmals, die Elternschaft einer Rebsorte festzustellen: Cabernet Sauvignon ist aus Cabernet Franc (Mutter) x Sauvignon Blanc (Vater) entstanden. In der Folge konnten einige wichtige mitteleuropäische Leitsorten wie Gouais Blanc (Weißer Heunisch), Pinot und Savagnin (Traminer) identifiziert werden. Das hohe Alter und die weite Verbreitung dieser Sorten haben die spontane Einkreuzung und damit Entstehung vieler anderer Rebsorten begünstigt. Der im Mittelalter in ganz Mittelauropa kultivierte Gouais Blanc/Heunisch hat sich allein in 80 Rebsorten eingekreuzt.

Kreuzung - Cabernet Franc (rot) x Sauvignon Blanc (weiß) = Cabernet Sauvignon

Wie beim Vaterschaftstest lassen sich mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks nun erstmals auch Abstammungen rekonstruieren, Verwandtschaften bestimmen oder Einkreuzungen von Hybriden erkennen. Voraussetzung ist jedoch eine umfangreiche Erbsubstanz-Analyse an mindestens 15 bis zu 50 Genorten (Markern). Der Schweizer Biologe Dr. José Vouillamoz meint, es müssten sogar zumindest 30 bis 60 sein (bei der Identifikation des Cabernet Sauvignon waren es 35). Nur wenn die potentiellen Eltern durch zum Beispiel Angaben des Züchters bekannt sind, genügen auch weniger. Da jedes Kind je ein Chromosom vom Vater und eines von der Mutter geerbt hat, muss jede Rebsorte an einem spezifischen Genort ebenfalls je ein Merkmal mit der Vatersorte und das andere mit der Muttersorte gemein haben. Diese Regel gilt streng, das heißt, ein Nichterfüllen des Abstammungskriteriums bedeutet in der Regel das Ende der Abstammungshypothese. Je mehr Genorte in die Untersuchung einbezogen werden, desto sicherer ist sie auch. Jedoch ist ein 100% Beweis nicht erbringbar, da die Hypothese immer nur an einigen ausgewählten, jedoch nie an allen Genorten positiv überprüft werden kann.

Wenn eines der Elternteile nicht identifiziert werden kann, weil dessen DNA-Werte noch nicht erfasst wurden und nicht bekannt sind, oder weil die Sorte vielleicht schon ausgestorben ist), so ist es doch möglich, die Beziehungen zwischen Elternpflanzen und Nachkommen zweier verschiedener Sorten nachzuweisen. Oft wird in Quellen die Formulierung „nicht direkt verwandt“ verwendet. Damit ist in der Regel gemeint, dass es zwischen den betrachteten Rebsorten keine Eltern-Nachkommen-Beziehung, das heißt keine „Mutter-Vater-Kind-Beziehung“ gibt. Direkte Verwandtschaften zwischen Rebsorten (also „Mutter-Vater-Kind“) sind mit dem genetischen Fingerabdruck eindeutig zu rekonstruieren. Schon aber bereits bei Geschwistern oder „entfernteren Verwandten“ wie „Tanten“, „Onkeln“ oder „Cousins“ ist die Beziehung aus den genetischen Profilen kaum noch offensichtlich.

Gentechnologie

Bei der Züchtung moderner Rebsorten mit vor allem bestimmten Widerstandsfähigkeiten bedient man sich seit einiger Zeit auch der manipulativen Gentechnologie. Diesbezüglich wurde das internationale Projekt IGGP (International Grape Genome Program) gestartet. In Gewebekultur-Suspensionen kann man fremde Resistenzgene mit gewünschten Eigenschaften in das Genom von Pflanzenzellen bestimmter herkömmlicher Sorten einführen. Das sind zum Beispiel Resistenz gegen Pilzkrankheiten und Viren oder gegen tierische Schädlinge wie die gefürchtete Reblaus. Aus den genmanipulierten Zellen kann man wieder Rebpflanzen regenerieren, die diesmal keine neue Sorte darstellen, sondern die genetischen Eigenschaften der ausgewählten Sorte im Wesentlichen erhalten haben, jedoch ergänzt um die „verbessernden“ eingeschleusten artfremden Gene.

Die erhofften Wirkungen blieben jedoch in der Praxis zumeist aus oder waren nicht befriedigend. Bei Gehölzpflanzen reicht es offenbar nicht aus, einzelne Gene einfach irgendwo ins Genom einzuschleusen und zu hoffen, dass sich so komplexe und umweltabhängige Eigenschaften wie die Pilzresistenz schon ausprägen mögen. Inwieweit diese Technologie gemessen am Aufwand und den Kosten bei der Rebe überhaupt zum Erfolg und zur praktischen Anwendung führen wird, ist im Moment nicht absehbar und auch nicht nachgefragt. In jedem Fall würde die Einführung gentechnisch manipulierter Rebsortenklone zur weiteren Verarmung an Sorten und zur weiteren Reduzierung der Klonvielfalt auf wenige Klone führen. Ob sich diese künstlich manipulierten und in ihrer genetischen Balance gestörten Rebpflanzen bei massenhafter vegetativer Vermehrung auf lange Zeit als stabil erweisen, kann man heute noch nicht seriös beantworten.

Weinverfälschungen

DNA-Analysen im Wein werden heute mit großem Erfolg eingesetzt, um Weinverfälschungen (Pantschereien) aufzuspüren. Forscher vom Institut INRAE in Montpellier haben 2002 eine Methode zur DNA-Isolierung aus Wein und Most entwickelt, mit der man sortenreinen Qualitätswein von billigeren Verschnitten unterscheiden kann. Die Methodik ist so weit fortgeschritten, dass man bei ungefiltertem Wein anhand des sortentypischen Fingerabdrucks feststellen kann, ob ein Wein aus der angegebenen Rebsorte sortenrein gekeltert oder ob Most anderer Rebsorten beigefügt wurde. Eine quantitative Bestimmung der Anteile der verschiedenen Sorten im Wein ist (noch) nicht möglich, sehr wohl aber, welche Sorten im Wein präsent sind.

Bisher hat das INRAE-Team die genetischen Profile von 600 Rebsorten-Weinen identifiziert. Bei abgefüllten Weinen funktioniert die Methode aber noch nicht, weil im Zuge des Filterprozesses ein Großteil der DNA (DNS) ausgefiltert wird, und die Restkonzentration an verbliebener DNA im fertigen Wein für die genetische Analyse zu gering ist. Die Forschungen gehen jedoch intensiv weiter. Mittels der Methode PNA-FISH können mikrobiologisch begründete Weinfehler, wie zum Beispiel Pferdeschweiß nachgewiesen werden. Siehe dazu auch unter Nuclear Magnetic Resonance und Zertifizierung von Rebstöcken.

weiterführende Informationen

Zum Themenkomplex siehe auch unter Abstammung, Blüte, Chromosom, DNA, Rebenstammbaum, Reben-Systematik, Rebsorten-Bestimmung und Taxonomie sowie Aufstellungen relavanter Stichwörter unter Rebfläche und Weinrebe.

Bilder: Ursula Brühl, Doris Schneider, Julius Kühn-Institut (JKI)

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