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Paris Wine Tasting

Wine-Judgment of Paris (GB)

Bereits legendäre Weinverkostung, die auf Initiative des englischen Weinhändlers und Experten für französische Weine Steven Spurrier (1941-2021) am 24. Mai 1976 in Paris stattgefunden hat. Die auch als „Judgment of Paris“ (Weinjury von Paris) bezeichnete Veranstaltung ist aus mehreren Gründen denkwürdig. Erstens hatte kein Experte mit diesem überraschenden Ergebnis gerechnet, zweitens ergaben sich weltweite Diskussionen und bedeutsame Auswirkungen in der internationalen Weinwelt, sowie drittens, weil sich der Wettkampf in vier Etappen über einen Zeitraum von dreißig Jahren hinzog.

Der Wettkampf wurde bisher dreimal mit den Originalweinen wiederholt; der dritte und vierte nur mit den Rotweinen. Schließlich gab es auch ein Buch darüber, der US-Journalist George M. Taber veröffentlichte im Jahre 2006 das rund 350 Seiten starke Werk „Judgment of Paris: California vs. France and the Historic 1976 Paris Tasting That Revolutionized Wine“. Und Last but not least wurde dann dieser Stoff im Jahre 2008 unter dem Titel „Bottle Shock“ mit dem Regisseur Randall Miller sogar verfilmt; allerdings war Spurrier damit aufgrund der seiner Meinung nach zum Teil frei erfundenen Details sehr unzufrieden (siehe auch eine Aufstellung von Filmen über das Thema Wein und Weinbau unter dem Stichwort Kino- und TV-Filme).

Verkostungs-Team - 11 Juroren

Es war ein Wettkampf von Weinen aus Frankreich und Kalifornien mit jeweils zehn Rotweinen und Weißweinen namhafter Betriebe. Spurrier beabsichtigte damit, das schlechte Image der amerikanischen Weine zu verbessern, rechnete aber natürlich dennoch mit einem klaren Sieg der Franzosen. Die elf Juroren waren namhafte über jeden Zweifel erhabene Autoritäten bzw. erfahrene Weinkritiker. Das waren Pierre Brejoux (Generalinspekteur AOC), Michel Dovaz (Wine Institute of France), Claude Dubois-Millot (Verkaufsdirektor Gault Millau), Patricia Gallagher (Académie du Vin), Odette Kahn (1923-1982, Herausgeberin Revue du Vin de France), Raymond Oliver (Restaurant Le Grand Vefour), Steven Spurrier, Pierre Tari (Château Giscours), Christian Vanneque (Sommelier), Aubert de Villaine (Domaine de la Romanée-Conti) und Jean-Claude Vrinat (Restaurant Taillevent).

Pasris Wine Tasting - 1976 mit Jury (Steven Spurrier ganz rechts) und Weine

Spurrier hatte auch viele Reporter namhafter Zeitungen eingeladen, jedoch nahm nur der oben erwähnte George M. Taber vom US Time Magazine als einziger teil. Kaum jemand zweifelte am Ausgang - dass nämlich die französischen Gewächse die kalifornischen Weine im Sinne von „Jeder weiß doch, dass französische Weine prinzipiell besser als kalifornische sind und es auch immer sein werden“ eindeutig schlagen würden.

Überraschendes Ergebnis

Die Überraschung war umso größer. Als das Ergebnis verkündet wurde, gab es ungläubiges Staunen und peinliche Stille. Einige Jurymitglieder wollten den Stimmzettel zurückhaben, um nochmals bewerten zu können. Einigen verweigerten, das Ergebnis zu unterschreiben. Odette Kahn bezichtigte Spurrier sogar der Manipulation und äußerte sich sehr negativ über den Bewerb. Auf jeden Fall erschütterte das Ergebnis die Weinwelt und führte in der Folge zu hitzigen Diskussionen. Besonders Frankreich war geschockt und wollte die „Schmach“ nicht akzeptieren. Das niederschmetternde Ergebnis wurde zuerst totgeschwiegen und erst drei Monate später im „Le Figaro“ über die „lachhafte Veranstaltung, die man nicht ernst nehmen könne“ berichtet.

Eine seriöse Bewertung wurde angezweifelt, oder das Argument gebraucht, dass französische Weine eben längere Zeit der Reife bräuchten, um sich zu entfalten. Tatsache ist aber, dass ab nun der Wein aus den USA ernst genommen oder zumindest anders beurteilt wurde. Denn es bedeutete einen entscheidenden Wendepunkt bezüglich des Ansehens der bis dahin oft abfällig als Coca-Cola-Weine bezeichneten Produkte. Es ist kein Zufall, dass nur drei Jahre später das Joint Venture Opus One zwischen den Weinbau-Legenden Baron Philippe de Rothschild (1902-1988) und Robert Mondavi (1913-2008) gestartet wurde.

Erster Bewerb - 1976 in Paris

Der Bewerb erfolgte nach den Regeln einer Halbblindverkostung. Die Richter wussten, um welche Weine es sich handelt, aber nicht, in welcher Flasche bzw. in welchem Glas sich diese befinden. Die Bewertung erfolgte nach dem in Europa verbreiteten 20-Punktesystem. Alle Weißweine waren sortenreine Chardonnays. Die im Bordeauxstil vinifizierten Rotweine waren (sind) vom Cabernet Sauvignon dominiert. Während der Verkostung waren sich die Juroren absolut sicher, bereits am Geruch die Alte Welt von der Neuen Welt unterscheiden zu können, was sich als falsch erwies. Denn der „eindeutig als kalifornisch“ identifizierte Chardonnay mit „mangelndem Aroma“ stellte sich als burgundischer Bâtard-Montrachet heraus. Bei den Rotweinen gab es ähnliche Fehlidentifizierungen mit vermeintlich herausragenden französischen Weinen, die sich dann als kalifornische herausstellten. Beim Weißwein gaben alle elf Richter entweder Chateau Montelena oder Chalone Vineyard (beide Kalifornien) die höchste Punkteanzahl. Das Ergebnis (bei den Rotweinen  in Klammer die Durchschnitts-Punkte):

Die Weißweine (Chardonnay) - 6 Kalifornier, 4 Franzosen

  • 1. KAL: Chateau Montelena 1973 - Napa Valley
  • 2. FRA: Domaine Roulot - Meursault Charmes 1973 - Côte de Beaune
  • 3. KAL: Chalone Vineyard 1974 - Chalone/Monterey County
  • 4. KAL: Spring Mountain Vineyard 1973 - Napa Valley
  • 5. FRA: Joseph Drouhin - Clos des Mouches 1973 - Côte de Beaune
  • 6. KAL: Freemark Abbey Winery 1972 - Napa Valley
  • 7. FRA: Ramonet-Prudhon - Bâtard-Montrachet 1973 - Côte de Beaune
  • 8. FRA: Domaine Leflaive - Puligny-Montrachet Les Pucelles 1972 - Côte de Beaune
  • 9. KAL: Veedercrest Vineyards 1972 - Santa Cruz County (Weingut besteht nicht mehr)
  • 10. KAL: David Bruce Winery 1973 - Santa Cruz Mountains

Der für das Siegerweingut Chateau Montelena verantwortliche Winemaker Mike Grgich errang über Nacht einen hohen Bekanntheitsgrad. Er gründete bald darauf im Jahre 1977 im Napa Valley seine eigene Kellerei.

Die Rotweine (Cabernet Sauvignon dominiert) - 6 Kalifornier, 4 Franzosen

Spurrier war bei der Errechnung der Endzahlen pro Wein pragmatisch vorgegangen. Er addierte ganz einfach die einzelnen Zahlen und dividierte die Summen durch neun (seine eigene Wertung und jene von Patricia Gallagher wurden nicht berücksichtigt). Die zwei Wirtschaftwissenschaftler Orley Ashenfelter und Richard E. Quandt (beide Professoren an der Princeton-University in New Jersey) analysierten nochmals das Ergebnis. Diese berücksichtigten auch die Abstände zwischen den Wertungen und kamen so zu einem „statistisch besseren und stichhaltigeren“ Ergebnis. Sie errechneten drei Gruppen, wobei die Weine innerhalb der Gruppen statistisch nicht unterscheidbar und sozusagen als gleichwertig zu betrachten sind: 1 und 2, 3 bis 9, sowie 10. Das Ergebnis bei den Rotweinen ist oben in Klammer angeführt. Bedeutende Änderungen ergaben sich dadurch nicht, aber zumindest ist dadurch die „französische Ehre“ etwas verbessert, da nun Château Montrose ebenfalls an der Spitze liegt. In vier Fällen beträgt der Unterschied nur einen Platz, in vier Fällen ist die Platzziffer sogar identisch.

Noch ein wichtiger Aspekt ist beim Vergleich zwischen Frankreich (Europa) und Kalifornien zu beachten. In Kalifornien herrscht in der Regel ein ausgeglichenes Klima vor, sodass die Weinreben während des Vegetationszyklus in jedem Jahr sehr ähnlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Unter der Voraussetzung einer gleichen Vinifikation ist somit die Qualität der Weine in den einzelnen Jahren nahezu gleich. Im Gegensatz dazu gibt es in Europa vor allem in den kälteren Weinbaugebieten wie Frankreich (auch Deutschland und Österreich) relativ große Schwankungen, so dass ein „guter Jahrgang“ eine viel stärkere Rolle spielt.

Man könnte nun für das „schlechte Ergebnis“ der französischen Weine schlechte Jahrgänge verantwortlich machen. Dazu ist aber zu bemerken, dass bei den vier Rotweinen drei aus 1970 und einer aus 1971 stammten. Das „Conseil Interprofessionel du Vin de Bordeaux“ reihte den Jahrgang 1970 unter die „besten vier Jahrgänge der letzten 45 Jahre“ und der Jahrgang 1971 wird als „sehr gut“ bezeichnet. Zusätzlich wurde die Jahrgangsqualität sogar für die Appellationen untersucht, aus denen die Rotweine stammten: Pessac-Léognan, Pauillac, Saint-Estèphe und Saint-Julien. Auch hier ergaben sich ähnliche Aussagen über die zwei Jahre. Ein „schlechter Jahrgang“ fiel somit als Argument aus.

Zweiter Bewerb - 1978 in San Francisco

Im Jänner 1978 fand 20 Monate nach der Pariser Verkostung ein zweiter Bewerb in San Francisco statt. Vor allem wollte man damit das von den Kritikern geäußerte Vermutung überprüfen, dass sich die französischen Weine besser als die kalifornischen entwickeln würden. Spurrier flog von Paris ein, um an der Auswertung teilzunehmen, die im Vintners Club stattfand. Die Verkostungsteams bestanden aus 99 bzw. 98 professionellen Juroren. Es gab zwar einige Änderungen im Ranking, aber am kalifornischen Sieg war wiederum nicht zu rütteln. Sowohl bei den Weißweinen als auch bei den Rotweinen lagen drei kalifornische Weine an der Spitze - also ein eindeutiges Ergebnis für Kalifornien (in Klammer der Platz vom ersten Bewerb 1976):

Weißweine

Gegenüber dem ersten Bewerb erreichten die Weine von Domaine Roulot, Joseph Drouhin und Ramonet-Prudhon ein rangmäßig schlechteres Ergebnis:

Rotweine

Gegenüber dem ersten Bewerb erreichten die Weine von Château Montrose, Château Haut-Brion und Château Leoville Las Cases ein rangmäßig schlechteres Ergebnis:

Dritter Bewerb - 1986 in New York

Zum Jubiläum des 10-jährigen Bestehens wurden 1986 zwei Bewerbe mit verschiedenen Verkostungsteams durchgeführt. Da man mit Recht annehmen musste, dass die Weißweine ihren Höhepunkt bereits überschritten hätten, wurden nur die Rotweine verkostet. Ein Wettbewerb wurde vom Magazin Wine Spectator in New York organisiert, bei dem fünf Kalifornier vorne lagen. Der zweite Bewerb wurde vom French Culinary Institute ebenfalls in New York ausgerichtet, Steven Spurrier leistete Unterstützung. Hier lagen zwei Kalifornier an der Spitze (in Klammer 1976):

Wine Spectator

Sechs Richter verkosteten alle zehn Weine:

French Culinary Institute

Acht Richter verkosteten neun Weine, es fehlte Freemark Abbey Winery:

Vierter Bewerb - 2006 in Napa und London

Schließlich wurde am 24. Mai 2006 das 30-jährige Jubiläum des denkwürdigen Wettkampfs gefeiert. Der vierte und letzte Bewerb wurde neuerlich von Steven Spurrier organisiert, wobei zwei Verkostungsteams auf beiden Seiten des Atlantiks in Napa und London aktiv waren. In London waren Michael Broadbent, Hugh Johnson und Jancis Robinson dabei. Das eindeutige Ergebnis untermauerte erneut die bisherigen Resultate. Die ersten fünf Plätze belegten kalifornische Weine, der „Ridge Vineyards Monte Bello“ lag bei beiden Verkostungsteams an der Spitze (in Klammer der Platz des ersten Bewerbes von 1976):

Resümee

Die Ergebnisse untermauern deutlich, dass Weinbewertungen in der Regel keine wissenschaftliche Gültigkeit haben, denn sonst müssten die Ergebnisse ja bestenfalls identisch oder zumindest sehr ähnlich sein. Würde man am nächsten Tag mit denselben Richtern und denselben Weinen den Bewerb wiederholen, kämen zwar nicht völlig andere, aber sehr wahrscheinlich doch etwas andere Bewertungszahlen bzw. zum Teil dadurch auch ein anderes Ranking heraus. Das ändert aber nichts daran, dass bei professionellen Verkostungen nach objektiven Kriterien beurteilt wird und die Bewertungs-Unterschiede bei einer Wiederholung von Verkostungen relativ klein sind. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die Verkostung durch erfahrene und professionelle Richter erfolgt. Siehe auch unter Weinbewertung, Weinansprache und Weinveranstaltungen.

Weinflaschen: WIKIPEDIA Judgment of Paris 1976, CC BY-SA 3.0, Link

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Prof. Dr. Walter Kutscher

Früher benötigte man eine Fülle an Lexika und Fachliteratur, um im vinophilen Berufsleben up to date zu sein. Heute gehört das Weinlexikon von wein.plus zu meinen besten Helfern, und es darf zu Recht als die „Bibel des Weinwissens“ bezeichnet werden.

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