Nach erfolgter Befruchtung bei der Blüte beginnen die Beeren sehr rasch zu wachsen. Die Säurekonzentration in den unreifen Beeren steigt bis zu einem Höchstwert an, dann wird die Säurekonzentration verringert und der Zuckergehalt nimmt rasant zu. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die innerhalb des jährlichen Vegetationszyklus der Rebe als Véraison bezeichnete Reifephase, ab dem die Beeren weich werden und sich zu verfärben beginnen. Der Abschluss der Reifephase bzw. Höhepunkt der Maturation ist durch ein optimales Verhältnis von Zucker zu Säure gekennzeichnet (siehe dazu auch unter physiologische Reife). Die Dauer zwischen Blüte und Reifezeitpunkt ist je Rebsorte sehr unterschiedlich, deshalb spricht man demgemäß von früh bis spät reifenden Rebsorten. Einfluss darauf haben auch Bodentyp, Klima, Wetter und die Arbeiten des Winzers. Der Reifezeitpunkt ist auch vom Kleinklima im Weinberg abhängig und kann auch bei einzelnen Klonen derselben Rebsorte differieren. Selbst in kleineren Weinbaubereichen kann also dieselbe Rebsorte unterschiedliche Ergebnisse liefern.
Die Begriffe früh bis spät reifend wurden früher sehr unterschiedlich verstanden. Der Ampelograph Victor Pulliat (1827-1896) erarbeitete deshalb gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine einheitliche Klassifizierung, die auch heute noch verwendet wird. Er definierte als Referenzrebsorte die früh reifende Chasselas (Gutedel) und als Mess- bzw. Vergleichskriterium das Mostgewicht. Die Skala besteht aus fünf Kategorien, wobei diese nochmals in früh, mittel und spät geteilt werden. Häufig werden Rebsorten jedoch nur recht grob und ungenau in die drei Kategorien früh, mittel und spät eingeteilt. Die fünf Pulliat-Reifeperioden umfassen einen Zeitraum von rund sechs Wochen:
Diese reifen vor Chasselas. Das sind unter anderem die Sorten Bacchus, Bouvier, Madeleine Angevine, Madeleine Royale und Précoce de Malingre.
Diese reifen fast zeitgleich mit Chasselas, jedoch spätestens 10 bis 12 Tage danach. Das sind unter anderem die Sorten Admirable de Courtiller, Chardonnay, Foster’s White Seedling, Chasselas, Gamay, Dornfelder, Müller-Thurgau, Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Noir und Tempranillo.
Diese reifen zumindest zwei, jedoch spätestens drei Wochen nach Chasselas. Das sind unter anderem die Sorten Alphonse Lavallée, Bicane, Cabernet Franc, Chenin Blanc, Ignea, Königin Elisabeth, Leopold III., Merlot, Muscat d’Hamburg, Riesling, Sauvignon Blanc, Sémillon, Sultana und Syrah.
Diese reifen zumindest drei Wochen, jedoch spätestens 30 bis 35 Tage nach Chasselas. Das sind unter anderem die Sorten Angelo Pirovano, Cabernet Sauvignon, Garnacha Tinta (Grenache Noir), Monastrell (Mourvèdre), Regina und Grüner Veltliner.
Diese reifen zumindest vier Wochen nach Chasselas. Das sind unter anderem die Sorten Clairette, Luglienga Bianca und Mazuelo (Carignan Noir).
Albert Julius Winkler (1894-1989) und Maynard A. Amerine (1911-1998) von der University of California (Davis) teilten auf Basis des Temperatursummen-Systems (degree days) die kalifornischen Weinbaugebiete in fünf Klimazonen mit den dafür optimalen Rebsorten bezüglich Reifezeitpunkt ein.
Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts hat sich der Reifezeitpunkt im Zusammenhang mit dem Klimawandel stark verschoben. Er tritt im Vergleich zu den 1960er-Jahren heute (2020er-Jahre) um ein bis zwei Wochen früher ein. Der französische Ampelograph Pierre Galet (1921-2019) erstellte im Jahre 1964 eine Liste mit dem Reifezeitpunkt der wichtigsten in Frankreich angebauten Rebsorten, mit der diese Tatsache belegt werden kann.
Die Kriterien für die Eignung einer Region für den Weinbau werden als Weinbauwürdigkeit bezeichnet. Bezüglich Ausbau, Entwicklung, Reifung und Höhepunkt eines Weines siehe unter Alterung, Flaschenreifung, Haltbarkeit und Trinkreife. Eine komplette Aufstellung rebsortenspezifischer Stichwörter gibt es unter Weinrebe.
Weinbeere: © DWI (Deutsches Weininstitut)
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Dominik Trick
Technischer Lehrer, staatl. geprüfter Sommelier, Hotelfachschule Heidelberg