Die berühmte Adelsfamilie in der Toskana betreibt bereits seit 1141 Weinbau und zählt damit zu den ältesten Weingütern der Welt. Seit dieser Zeit hatte diese Familie umfangreichen Grundbesitz im Bereich zwischen Siena und Florenz. Dies veranlasste die Republik Florenz, die Familie von öffentlichen Ämtern auszuschließen. Dadurch konnte aber nicht verhindert werden, dass die Familie über Jahrhunderte großen politischen Einfluss ausübte. Baron Bettino Ricasoli (1809-1880) erbte um 1830 das vernachlässigte Familiengut Castello di Brolio im Herzen des Gebietes Chianti-Classico und begann in großem Stil, den Weinbau zu reformieren. Er bereiste Frankreich und Deutschland, studierte dort den Weinbau und importierte zahlreiche Rebsorten. Im Jahre 1861 wurde er Premierminister des neuen Königreiches Italien und hatte den Beinamen „Eiserner Baron“.
Nach zahlreichen Versuchen kreierte er um 1850 ein allgemein gültiges Rezept für den Chianti (siehe dort). In einem Brief aus dem Jahre 1872 fasste Ricasoli das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Experimente zusammen. Das moderne Chianti-Rezept hat sich seitdem aber entscheidend geändert. Einen noch bedeutenderen Einfluss auf die Qualität des Chianti waren die Bemühungen des Barons, die Produktion und die Vermarktung der Chianti-Weine im Sinne einer Aufteilung der Tätigkeiten neu zu organisieren. Das Konzept ging davon aus, dass der Großteil der Winzer Trauben an große Handelshäuser und Kellereien anlieferten und diese dann die Vinifizierung, den Ausbau und die Vermarktung durchführen sollten. Aus diesem Grund gründete er das Handelshaus Ricasoli, das sich dann in den nächsten hundert Jahren zum führenden Chianti-Hersteller entwickelte.
In den 1960er-Jahren war Ricasoli einige Jahre unter Kontrolle des Konzerns Seagram. Dies führte zwar zu einer gewaltigen Produktions-Steigerung, wirkte sich aber auf die Qualität negativ aus. Im Jahre 1990 wurde Ricasoli vom australischen Multi Hardy gekauft, nahm aber nur drei Jahre später sein Geschick wieder in eigene Hände. Seit dem Jahre 1993 leitet Francesco Ricasoli das Gut mit dem Hauptsitz „Castello di Brolio“. Von rund 1.200 Hektar Landbesitz, die fast zur Gänze in der Gemeinde Gaiole liegen, sind 250 Hektar Weingärten. Im Jahre 1994 wurde mit der kompletten Erneuerung der Rebkulturen begonnen, heute beträgt die Dichte 5.500 bis 6.200 Rebstöcke pro Hektar. Auf mehr als 150 Hektar wird Sangiovese kultiviert. Der Rest ist mit Cabernet Sauvignon, Canaiolo Nero, Chardonnay, Malvasia del Chianti (Malvasia Bianca Lunga) und Merlot bestockt.
Der Premiumwein des Hauses ist „Chianti-Classico Castello di Brolio“ aus Sangiovese, der 18 Monate in Barrique ausgebaut wird. Weitere Premiumweine sind „Chianti Classico Brolio“ und „Riserva Rocca Guicciarda“. Der Rotwein „Casalferro“ wird aus Sangiovese und Merlot verschnitten. Der Weißwein „Torricella“ aus Chardonnay wird acht Monate in Barrique ausgebaut und der „Brolio Vinsanto“ (aus Malvasia del Chianti) heute noch nach alter Tradition gekeltert. Ein junger Chianti namens „San Ripolo“ wird unter dem Etikett „Barone Ricasoli“ vermarktet. Das „Castello di Cacchiano“ mit rund 25 Hektar Weinbergen gehört Giovanni Ricasoli-Firidolfi (Cousin des Brolio-Zweiges). Das Castello ist bereits seit dem Jahre 1150 in Besitz der Familie. Hier wird ein Chianti-Classico „Castello di Cacchiano“ (90% Sangiovese, Canaiolo, Malvasia Nero, Colorino und Merlot) produziert.
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Thorsten Rahn
Restaurantleiter, Sommelier, Weindozent und Autor; Dresden