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Schiffstaufe

Solche Zeremonien bei der Inbetriebnahme neuer Schiffe mit damit verbundener Namensgebung waren schon im vierten Jahrtausend vor Christi in Mesopotamien üblich. Auch bei den Griechen und Römern in der Antike gab es schon Schiffstaufen. In Japan und China wird beim Stapellauf eine das Schiff mit dem Land verbindende Leine zerrissen – ähnlich dem Durchtrennen der Nabelschnur bei der Geburt eines Menschen. Anderswo wurde einfach Wein über die Planken gegossen, aber es waren auch andere zum Teil grausame Rituale wie Menschenopfer gebräuchlich. Zwischenfälle bei der Taufe galten immer als böses Omen.

Schiffstaufe  - Dom Pérignon Etikett (Schiffstaufe USS-Enterprise) und Stapellauf der Titanic

Titanic und USS Enterprise NCC-1701B

Die Schiffstaufe hat in der Seefahrt eine wichtige symbolische Bedeutung und der Verzicht darauf wird beim abergläubischen Seevolk als schlimmes Vorzeichen gedeutet. Als „Beweis“ dafür wird darauf verwiesen, dass die am 15. April 1912 nach einer Eisberg-Kollision untergegangene Titanic, die als unsinkbar gegolten hatte, nicht getauft wurde, weil die Reederei das als Aberglauben abtat. Auch Luft- und Raumschiffe werden getauft. Sogar die USS Enterprise (NCC-1701B) aus der TV-Serie „Star Trek“ wurde zeremoniell mit einem futuristischen Dom Pérignon des Jahrgangs 2265 diesem Ritual unterzogen.

Champagnerkrieg und Jahrhundert-Prozess Moët et Chandon vs. Söhnlein

Nach einer Verfügung von Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) durften die Kriegsschiffe der deutschen Marine nur mit einem Söhnlein-Sekt getauft werden. Dadurch wurde diese Marke Ende des 19. Jahrhunderts zum Standard-Taufsekt. Bei der Taufe der Jacht „Meteor“ seines Enkels Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) ergab sich 1902 in New York eine kuriose Geschichte. Es war vorgesehen, dass eine Flasche deutscher Sekt von der US-Präsidententochter Alice Roosevelt verwendet werden sollte. Dem findigen Vertreter des Hauses Moët et Chandon in den USA George A. Kessler (1863-1920) gelang es jedoch kurz vor dem Stapellauf durch Bestechung des Werftbesitzers mit 5.000 US$, den vorgesehenen Söhnlein-Sekt „Rheingold“ gegen eine Flasche „White Star“ seiner Firma austauschen zu lassen. In der Folge kam der Schwindel auf verursachte einen großen Skandal.

Schiffstaufe - Söhnlein-Sekt, Alice Roosevelt, White Star Flasche, Stapellauf Meteor

Der deutsche Kaiser ließ seinen Botschafter aus Frankreich zurückrufen und zwischen Deutschland und Frankreich gab es ein gewaltiges politisches Säbelrasseln. Das Champagnerhaus Moët & Chandon klagte die Firma Söhnlein, weil diese guten Glaubens damit geworben hatte, dass bei der Schiffstaufe ihre Marke verwendet worden sei. Die Klage wurde abgewiesen. Präsident Roosevelt, war der Vorgang sehr unangenehm. Er legte fest, dass bei anstehenden Taufen von amerikanischen Kriegsschiffen die Sektmarke „Rheingold“ verwendet werden solle. Die beiden Schaumweinmarken erlangten durch den Skandal Weltbekanntheit. Kurioserweise war die Werbewirkung für die Marke „Rheingold“ von Söhnlein verrmutlich um ein Vielfaches stärker als sie es bei einem reibungslosen Taufvorgang mit der vorgesehenen Flasche gewesen wäre. 

Gepflogenheit in der Neuzeit

In der Neuzeit wird für die Schiffstaufe üblicherweise eine Flasche Champagner bzw. Sekt an der Schiffswand zerschellt - in Schottland aber verwendet man aus patriotischen Gründen eine Flasche Whisky. Das ist zumeist mit einem Wunsch nach „allzeit guter Fahrt und einer Handbreit Wasser unter dem Kiel“ verbunden. Beim Schaumwein werden bevorzugt Übergrößen wie Magnum (1,5 l), Jeroboam (3 l) oder Rehoboam (4,5 l) verwendet. Als Vorbereitung wird das dicke Glas der Flasche manchmal durch Einritzen präpariert und die Zeremonie vor manchen Taufen sogar geübt. Bei großen Schiffen zerhackt bevorzugt eine Dame möglichst nicht mit roter Haarfarbe (Herren waren bis ins 19. Jahrhundert nicht erwünscht) mit einem Beil eine Leine, wodurch die Flasche an einer weiteren Leine zum Flug gegen den Schiffsbug freigesetzt wird.

Bei kleinen Schiffen oder Booten wird der Champagner auch an der Leine direkt an den Bug geschleudert. Selten wird die Flasche sogar mit der Hand am Bug zerschmettert. Diese brutale Vorgangsweise kann aber sowohl für Täufer(in) als auch für das Schiff sehr gefährlich sein. Auch nach der Umbenennung eines Schiffes muss eine neue Taufe erfolgen. Doch vorher gibt es noch eine zeremonielle Verabschiedung. Nach der Entfernung des alten Schiffsnamens von Bug, Heck, Rettungsringen, Rettungsbooten etc. wird eine Flasche Champagner über die Schiffsplanken gegossen. Siehe unter Brauchtum im Weinbau eine Aufstellung von Ritualen, Festen und kuriosen Gepflogenheiten „rund um den Wein“.

Titanic: Von Francis Godolphin Osbourne Stuart, Gemeinfrei, Link
Söhnlein Rheingold: Von Niestlé, Gemeinfrei, Link 
Alice Roosevelt: Von Théobald Chartran, Gemeinfrei, Link 
Moët & Chandon White Star: Von Alfons Mucha, Gemeinfrei, Link 
Meteor: Von Underwood & Underwood, Gemeinfrei, Link

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Dr. Christa Hanten

Für meine langjährige Tätigkeit als Lektorin mit wein-kulinarischem Schwerpunkt informiere ich mich bei Spezialfragen immer wieder gern im Weinlexikon. Dabei führt spontanes Lesen und das Verfolgen von Links oft zu spannenden Entdeckungen in der weiten Welt des Weins.

Dr. Christa Hanten
Fachjournalistin, Lektorin und Verkosterin, Wien

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