wein.plus
ACHTUNG
Sie nutzen einen veralteten Browser und einige Bereiche arbeiten nicht wie erwartet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser.

Anmelden Mitglied werden

Trinkkultur

In allen Kulturen der Welt gab und gibt es neben einer Ess- auch eine Trinkkultur. Besonders Wein war immer mehr als nur ein Genussmittel, sondern auch Arznei, Antiseptikum, Aphrodisiakum, Konservierungsmittel, Sorgentröster, Kraftquelle, Inspirationsmedium, Opfersymbol, Bestandteil bei Ritualen, Festen und Vertragsabschlüssen sowie in vielen Religionen ein heiliges Medium, mit dem man in mystischer Weise eine Beziehung zu Gott oder den Göttern herstellte.

ältestes Weingesetz Codex Hammurabi

Im „Codex Hammurabi“, einer Gesetzessammlung des babylonischen Königs Hammurabi (1728-1686 v. Chr.), die nach der sumerischen Überlieferung von einer Inspiration des Sonnengottes Šamaš ausgeht, steht: Der Wein gehört zu den kostbarsten Gaben der Erde. So verlangt er Liebe und Respekt, wir haben ihm Achtung zu erweisen.

Vermutlich war aber das einfacher zu produzierende Bier noch vor dem Wein das erste alkoholische Getränk, das in den frühen Hochkulturen zumindest schon vor über 6.000 Jahren gebraut wurde. Als Wiegen des Weinbaus gelten Mesopotamien, Transkaukasien und/oder nach neusten Forschungen Südost-Anatolien in der heutigen Türkei im Grenzbereich zu Armenien mit dem berühmten Berg Ararat, wo angeblich der biblische Noah nach der Sintflut landete.

 Stele mit dem Codex - Hammurabi vor Gott Šamaš - Ausschnitt des Textes

In Vino Veritas

Der vom griechischen Lyriker Alkäus (7. Jhdt. v. Chr.) stammende populäre Ausspruch über Wein „In vino veritas“ (Im Wein liegt die Wahrheit) drückt vordergründig aus, dass man unter dem Einfluss von Wein (Alkohol) die Wahrheit sagt, weil damit ein Hemmnisabbau verbunden ist (und nicht, dass man „wahrheitsgetreuer“ ist). Wein (in mäßiger Menge genossen) verhilft einfach auch zu einer anderen Einstellung. Man ist viel mehr bereit, seinen Emotionen nachzugeben und ist offener und kommunikationsfreudiger, was sich (immer vorausgesetzt, dass man Wein mit Verstand genießt) sehr positiv im zwischenmenschlichen Bereich auswirken kann. Es existiert jedoch eine kulturübergreifende Regel, und zwar die gesellschaftliche Ablehnung des einsamen Alkoholkonsums. Positiv verstandener Alkoholkonsum gilt als soziale Aktivität, um menschliche Kontakte zu knüpfen und Kommunikation zu pflegen. Wer jedoch alleine trinkt bzw. Alkohol genießt, gilt in der Regel als unsozial und gerät außerdem in den Verdacht, ein Säufer (Alkoholiker) zu sein.

In Vino Veritas

Rausch als Inspirationsquelle

Der Genuss von Alkohol erfolgte oft auf exzessive Weise. Denn der Rausch galt bei vielen alten Völkern als besonderer Zustand, der den unmittelbaren Kontakt zu einer höheren Welt ermöglichte und religiösen und mystischen Charakter hatte. So wurde in Ägypten an Festtagen von Pharaonen und Priestern bis zum Rausch getrunken, und die nach übermäßigem Konsum eintretende Bewusstlosigkeit galt als heilig und gottgefällig.

Die jüdischen Propheten gaben nach dem 1. Buch Samuel 10.5 im ekstatischen Zustand Orakel. In der Mystik des islamischen Sufismus und im Schamanismus spielt der Rausch des Priesters eine wichtige Rolle. Die griechische Pythia erteilte durch Erddämpfe hervorgerufenem Rausch Orakel. Der Wein der Kleopatra (69-30 v. Chr.) war mit Rohopium und Nachtschatten-Gewächsen (Bilsenkraut, Alraun) versetzt und galt als Aphrodisiakum.

Griechisches Symposion - Fresko 475 v. Chr.

Nach dem griechischen Historiker Herodot (482–425 v. Chr.) wurde bei den Persern unter der Achaimeniden-Dynastie (559-331 v. Chr.) der alkoholische Rausch bewusst eingesetzt, um über wichtige Fragen zu diskutieren und zu urteilen und danach zu entscheiden. Man wollte damit die Ratio ausschalten, die Kreativität fördern und zwanglos Argumente und Gegenargumente diskutieren, der Rausch diente der Enthemmung. Die gefassten Beschlüsse mussten allerdings noch einmal im nüchternen Zustand bestätigt werden (oder vice versa). Erst dann erlangten sie ihre Gültigkeit und Gesetzeskraft. Ebenso berichtet Herodot von den griechischen Symposien (Trinkgelagen), die ebenfalls einen bestimmten Trunkenheitsgrad zum Ziel hatten. Allerdings erfolgte dies in maßvollem und kontrolliertem Ausmaß durch begrenzt servierte Mengen anhand mit Wasser vermischtem und damit alkoholleichterem Wein.

Werke über Ess- und Trinkkultur - Antike bis Mittelalter

Schon in der frühen Antike produzierten Griechen und Römer eine erstaunliche Vielfalt an Weinen. Viele antike Autoren haben die Weingarten-Bewirtschaftung und die Weinbereitung, sowie die Ess- und Trinkgewohnheiten ihrer Zeit ausführlich beschrieben. Zu den bekanntesten zählen die in der Folge angeführten Werke (eigene Stichwörter):

Deiphnosophistai

Im 15-bändigen Werk „Deiphnosophistai“ (Gastmahl der Gelehrten) beschreibt der griechische Autor Athenäos (Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.) komödienhaft das Gastmahl mit den dabei genossenen Weinen von 29 berühmten Gelehrten, Advokaten und dem berühmten Arzt Galen (129-216) im alten Rom.

De re rustica

Mehrere antike Autoren verfassten unter diesem Titel (Über ländliche Angelegenheiten) Lehrbücher über die Landwirtschaft mit zum Teil umfangreicher Berücksichtigung des Weinbaus. 

Geoponika

In diesem um 950 entstandenen Werk sind Beiträge antiker Autoren wie zum Beispiel Columella (1. Jhdt.), Plinius dem Älteren (23-79) und Vergil (70-19 v. Chr.) über Landwirtschaft, Ernährungs- und Trinkkultur ihrer Zeit enthalten.

Satyricon

Darin schildert der römische Dichter Petronius (14-66) ein zum Teil groteskes Sittenbild der gesellschaftlichen Verhältnisse im Rom sowie der Ess- und Trinkkultur der römischen Oberschicht im ersten Jahrhundert nach Christi. 

Satyricon - Petronius (Büste) und Bild „Ein römisches Fest“ von Roberto Bompiani

Weinbuch - Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins

Der Geistliche Johann Rasch (1540-1612) wirkte als Organist am Schottenstift in Wien (Österreich) und verfasste eines der ältesten Weinbücher in deutscher Sprache, das 1580 erstmals erschien. Es enthält Regeln, Vorschriften und Ratschläge für Weinbau, Kellerwirtschaft, Weinlagerung und Weinverkostung.

Weinautoren und Weinbau-Persönlichkeiten

Komplette Aufstellungen von bekannten Weinautoren und wichtigen Personen im Zusammenhang mit Weinbau von der Antike bis zur Neuzeit sind unter den Stichwörtern Literatur, Weinbaupersönlichkeiten und Weinkritiker enthalten.

Wein in der Religion

In Griechenland wurden im 5. Jahrhundert vor Christi zu Ehren des Gottes Dionysos Feste eingeführt, die durch Ausgelassenheit und Zügellosigkeit in Verbindung mit stilisiertem und schwerem Trinken geprägt waren. Der Rausch galt als reinigendes Zeremoniell mit psychohygienischer Wirkung. Die Römer übernahmen dies mit den nach dem Weingott Bacchus als Bacchanalien benannten ausgelassenen Festen. Der Genuss alkoholischer Getränke ist bis heute in vielen Religionen mit Ritualen und Zeremonien geregelt und findet in den christlichen Kirchen bei der Eucharistie mit der Umwandlung von Brot in Christi Leib und des Messweins in Christi Blut ihren Höhepunkt. Die zentrale Bedeutung von Weinbau und Wein in der christlichen Religion bezeugen 979 darauf Bezug nehmende Stellen in der Bibel.

Eucharistie - Trauben, Messweinkelch,Hostie und Bibel / Priester mit Hostie

Alkoholmissbrauch

Die Balance bzw. die Grenze zwischen einem maßvollen Genuss (Freude, Lust) und Laster (Alkoholismus) hat die Menschen immer schon bewegt. In der Antike warnten viele bekannte Persönlichkeiten vor Missbrauch. Der römische Dichter Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr.) schreibt diesbezüglich folgendes: Wie in der Freiheit, ist auch beim Weine Mäßigung heilsam. Und in der Schrift „Von der Gemütsruhe“ bemerkt er: Mitunter darf es wohl gar bis zu einem Räuschchen kommen, nicht das es uns ersäufe, aber doch untertauche. Denn das verscheucht die Sorgen, rüttelt die Seele in ihren Tiefen auf und ist wie gegen manche Krankheiten, so auch gegen die Traurigkeit ein Mittel.

Im frühen Mittelalter wurde ein regelmäßiger Rausch als Mittel gesehen, den Körper von verbrauchten Lebensgeistern zu reinigen, sich zu erneuern und damit der Gesundheit zu dienen. Auf Grund der schlechten Wasserqualität wurde viel mehr Alkohol getrunken als heute. Wein und Bier galten als Lebensmittel, und ein regelmäßiger Alkoholkonsum galt als normal. Das Bild zeigt das Gemälde „Trinkgelage“ vom sozialkrischen englischen Maler William Hogarth (1697-1764).

Trinkkultur - Gemälde von William Hogarth - Nächtliches Gelage

Es gab aber schon im frühen Mittelalter Bemühungen, das übermäßige Zechen, das häufig mit gewaltsamen Auseinandersetzungen einherging, einzudämmen. Das war nicht nur auf die einfachen Volksschichten begrenzt, abgesehen davon konnte sich alkoholische Getränke oft nur der Adel leisten. Bezeichnenderweise wurde jedem deutschen Kaiser vor der Krönung in Rom die Frage gestellt: Willst du mit Gottes Hülfe dich nüchtern halten? 

Der fränkische Kaiser Karl der Große (742-814) erließ strenge Verbote gegen den Trinkzwang bei Gesellschaften. Besonders die Kirche wetterte gegen übermäßigen Alkoholkonsum, wobei dies weniger aus gesundheitlichen Gründen, sondern vor allem wegen des damit einhergehenden Sittenverfalls erfolgte. Sehr beliebt in allen Schichten war der Brauch des Zutrinkens. Prominente Geistliche wie der Reformator Martin Luther (1483-1546), sowie Johann Rasch (1540-1612) und Abraham a Sancta Clara (1644-1709) kämpften in Wort und Schrift dagegen an.

Alkoholverbote

In vielen Ländern ist es üblich, bei festlichen Anlässen Alkohol zu kon sumieren. In Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien ist dies sogar Bestandteil des Alltags; es wird auch ohne besonderen Anlass Alkohol serviert. Im Einflussbereich des Islam hingegen gilt absolutes Alkoholverbot. Aber auch im westlichen Kulturkreis wurde und wird immer wieder versucht, den Konsum durch verschiedene Prohibitionsmaßnahmen einzudämmen. Alkohol mit Verstand, das heißt in Maßen genossen, hat aber auch positive Auswirkungen. Der Wein hat immer wieder Künstler bei ihrem Schaffen inspiriert. In allen Ländern existieren unzählige Gedichte, Lieder, Aphorismen, Anedokten und Zitate über den Wein.

Trinkkultur - Prohibition in den USA mit Vernichtung von Bierfässern

weiterführende Informationen

Hammurabi Stele: Von Mbzt - Eigenes Werk, CC BY 3.0, Link
Hammurabi Stele-Kopfteil: Von I, Sailko, CC BY 2.5, Link 
Messwein-Becher: demarco / 123RF Lizenzfreie Bilder  
Petronius: By P. Bodart - GoogleBooks, Public Domain, Link
Römisches Fest: By Roberto Bompiani - J. Paul Getty Museum, Public Domain, Link
Symposion: Gemeinfrei, Link 
Trauben, Kelch, Brot: Urheber = demarco / 123RF Lizenzfreie Bilder  
Priester mit Hostie: João Geraldo Borges Júnior auf Pixabay
Nächtliches Trinkgelage: Von William Hogarth, Gemeinfrei, Link
Prohibition: Authentic History

Stimmen unserer Mitglieder

Dr. Edgar Müller

Ich habe großen Respekt vor dem Umfang und der Qualität des wein.plus-Lexikons. Es handelt es sich um eine einzigartige Anlaufstelle für knackige, fundierte Informationen zu Begriffen aus der Welt des Weines.

Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach

Das größte Weinlexikon der Welt

26.381 Stichwörter · 46.989 Synonyme · 5.323 Übersetzungen · 31.715 Aussprachen · 202.661 Querverweise
gemacht mit von unserem Autor Norbert Tischelmayer. Über das Lexikon

Veranstaltungen in Ihrer Nähe

PREMIUM PARTNER