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Unterlage & Unterlagsrebe

portainjerto (ES)
porte-greffe (F)
rootstock (GB)
portainnesto (I)

Bezeichnung für den Unterteil bzw. Wurzelstock eines gepfropften Rebstocks, der von einer reblausresistenten Amerikaner-Rebe stammt. Bei der Veredelung wird auf diese das Oberteil (Edelreis) von europäischen Rebsorten der Spezies Vitis vinifera aufgepfropft. Der Hauptgrund für eine solche Pfropfung ist die geringe Anfälligkeit bzw. Resistenz der Wurzeln von amerikanischen Wildarten gegen die unterirdischen Stadien der Reblaus, bzw. gegen die durch den Reblausbefall an den Wurzeln gebildeten Nodositäten und Tuberositäten (Wucherungen).

Qualitätskriterien

Bezüglich Weinbau-Eignung müssen Unterlagsrebsorten zudem weitere züchterische Voraussetzungen erfüllen. Das sind geringe Anfälligkeit gegen beide Mehltauarten, geringe Neigung zu Chlorose, große Widerstandsfähigkeit gegen Bakterien und Viren, gute Holzstruktur und Holzreife, gute Adaption (Verträglichkeit) an verschiedenartige und schwierige Bodentypen wie zum Beispiel trockener Boden oder Kalkboden, gute Aufnahme der Nährstoffe aus dem Boden, sowie gute Pfropfaffinität zur aufgepfropften Rebsorte ohne die Förderung des Verrieselns. Ein gutes Verwachsen der beiden artfremden Gewebe an der Pfropfstelle und die harmonische Abstimmung der Wuchseigenschaften der aufgepfropften Rebsorte mit denen der Unterlagssorte gewährleisten eine gute Triebwüchsigkeit und Traubenqualität bei gleichmäßig hohen Erträgen des Rebstocks.

Unterteil (Wurzelwerk) und Oberteil (Edelreiser)

Der überwiegende Teil der in europäischen Ländern verwendeten Unterlagen sind Abkömmlinge der drei amerikanischen Wild-Spezies-Kreuzungen Vitis berlandieri x Vitis riparia, Vitis riparia x Vitis rupestris und Vitis berlandieri x Vitis rupestris. Entscheidend trugen dazu die Forschungen des US-Botanikers Thomas Volney Munson (1843-1913) bei. Eine 1989 zugelassene Unterlage mit vollkommener Reblaus-Resistenz wurde von Dr. Helmut Becker (1927-1990) aus einer Kreuzung Vitis riparia x Vitis cinerea kreiert. Er benannte sie nach dem deutschen Önologen Dr. Carl Börner (1880-1953). Nicht jede Unterlagssorte ist für die verschiedenen Bodentypen, Standort-Bedingungen, Edelsorten und Wuchsanforderungen gleich geeignet.

Deshalb gibt es behördliche Empfehlungen, welche Unterlage mit welcher Rebsorte (Oberteil) auf welchem Boden am besten harmoniert und die erforderlichen Ergebnisse bringt. Die Stecklinge der meisten Unterlagssorten wurzeln ohne Probleme, am besten jedoch bewurzeln sich immer noch die Schnittlinge der europäischen Vitis vinifera. Deshalb sollte der europäische Anteil eines gepfropften Reben-Stecklings nicht in den Boden eingegraben werden. Die Unterlagssorten mit Einkreuzungen von Vitis cinerea var. helleri (alter Name Vitis berlandieri) oder Vitis champinii bewurzeln sich erfahrungsgemäß schlecht, so dass die Stecklingsenden mit dem Wachstumshormon Auxin bestrichen werden, um die Wurzelbildung zu induzieren.

Genauso wie Qualitätswein-Rebsorten werden auch Unterlagsreben von den Landes-Behörden zugelassen bzw. klassifiziert (unterschiedlich per Weinbaugebiet). Einige (latente) Rebstock-Krankheiten können bei der Pfropfung und Stecklings-Vermehrung in großem Umfang weiterverbreitet werden, wenn zum Beispiel mit Viren oder Bakterien infiziertes Pflanzen-Material (Unterlage oder Edelreis) verwendet wird. Die Auswirkungen werden häufig erst bei älteren Stöcken sichtbar. Deshalb ist die Verwendung möglichst gesunden, virusfreien Pflanzmaterials in der EU gesetzlich vorgeschrieben. Diesbezüglich muss ein Nachweis durch ein standardisiertes Verfahren erfolgen (siehe unter  Zertifizierung von Rebstöcken).

Züchter

Die Entwicklung spezieller Unterlagen größeren Umfangs begann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Zu den erfolgreichsten Züchtern zählen François Baco, Helmut Becker, Carl Börner, Maxime Cornu, Georges Couderc, Gustave Foëx, Victor Ganzin, Hermann Goethe, Rudolf Goethe, Franz Kober, Alexis Millardet, Thomas Volnay Munson, Christian Oberlin, Harold P. Olmo, Federico Paulsen, Emerich Ráthay, Franz Georges Richter, Antonino Ruggeri, Otto Schneider-Orelli, sowie die Familie Teleki.

Unterlagsreben

In den Bezeichnungen der Unterlagsreben sind oft der Züchtername mit Anfangsbuchstaben und Zuchtnummer enthalten. In Österreich und Deutschland werden am häufigsten Kober 5 BB, 125 AA und SO 4 verwendet. Die weltweit bekanntesten Unterlagsreben, von denen aber einige nur mehr historische Bedeutung haben: 

110 R (Richter 110) - V. berlandieri x V. rupestris: Von Franz Richter 1889 gezüchtet. Sehr wuchskräftig, verzögert in warmen Klimaten positiv die Reife und den Vegetations-Abschluss. Hohe Reblaus-Resistenz, geringe Nematoden-Festigkeit. Mäßige Kalk-Verträglichkeit, mittlere Toleranz gegenüber Trockenstress. Wird in Regionen mit mediterranem Klima und in entwässerten Hanglagen gerne verwendet, wo starker Wuchs durch Wassermangel gebremst wird. Fördert starke Laubentwicklung.

1103 Paulsen (Paulsen 1103) - V. berlandieri Résséguier N 2 x V. rupestris du Lot: Von Federico Paulsen 1896 in Sizilien gezüchtet. Vor allem im Mittelmeerraum (Algerien, Griechenland, Südfrankreich, Spanien, Tunesien, Süditalien) verbreitet. Gute Toleranz gegen Trockenheit, sehr gute Bewurzelung, hohe Reblaus-Resistenz, mäßige Nematoden-Festigkeit. Besonders geeignet für tiefgründige, humide, tonige Kalkböden.

125 AA (Teleki 125 AA, Kober 125 AA) - V. berlandieri x V. riparia: Von Franz Kober und Sigmund Teleki 1896 gezüchtet. gezüchtet. In Deutschland und Österreich häufig verwendet. Halbtief wurzelnd, mittel bis stark wüchsig. Gute Kalk-Verträglichkeit, besonders für dichte, wenig luft- und wasserdurchlässige, jedoch nicht für flachgründige, trockene Böden geeignet. Eignet sich besonders für Müller-Thurgau und Blauer Portugieser, weniger für blüteempfindliche Sorten wie Traminer.

140 Ruggeri - V. berlandieri x V. rupestris: Von Antonino Ruggeri 1897 in Sizilien gezüchtet. Starkwüchsig, deshalb nicht geeignet für fruchtbare Böden. Geringe Nematoden-Festigkeit, hohe Reblaus-Resistenz, hohe Kalktoleranz, hohe Toleranz gegen Trockenstress. Gut geeignet für trockene, kalkreiche Böden in mediterranem Klima.

Unterlage & Unterlagsrebe - 140 Ruggeri - Wurzelstock und Blätter mit Geschein

1613 C (Couderc 1613) - Solonis (V. riparia x V. longii) x Othello (V. labrusca, V. riparia, V. vinifera). Von George Couderc 1881 gezüchtet. Nur bedingt Reblaus resistent und außerdem Chlorose empfindlich, jedoch hohe Nematoden-Festigkeit. Gut geeignet für fruchtbare Sand- und Lehmböden. In Kalifornien wegen der Nematoden-Festigkeit sehr beliebt, bis die Reblaus beträchtliche Schäden verursachte. Heute nicht mehr empfohlen.

161-49 C (Couderc 161-49, Solférino) - V. riparia x V. berlandieri: Vom namensgebenden Züchter Georges Couderc im Jahre 1888 gezüchtet, als bereits die Ursache des Rebensterbens bekannt war. Hohe Reblaus-Resistenz, hohe Kalktoleranz, gute Bewurzelung, gute Pfropfaffinität, mittlere Wuchskraft, geringe Nematoden-Festigkeit, anfällig für Laubdürre.

1616 C (Couderc 1616) - Solonis (V. riparia x V. rupestris x V. candicans) x V. riparia Gloire de Montpellier: Von Georges Couderc 1881 gezüchtet. Mittlere Wuchskraft, aber gute Bewurzelung. Hohe Reblaus-Resistenz mit hoher Nematoden-Festigkeit. Mittlere Kalk-, aber gute Salz-Verträglichkeit. Gut geeignet für salzhaltige Küstenböden.

26 G (Geisenheim 26) - Trollinger x V. riparia: Von Rudolf Goethe gezüchtet. Vor allem in Deutschland verwendet. Halbtief wurzelnd, stark wüchsig. Widerstandsfähig gegen Chlorose, gut für zur Verrieselung neigende Sorten.

3309 C (Couderc 3309) - V. riparia x V. rupestris: Von Georges Couderc 1881 gezüchtet. In vielen Ländern Europas und Russland verwendet. Flach wurzelnd, schwach bis mittelwüchsig. Hohe Resistenz der Wurzeln gegen die Reblaus, widerstandsfähig gegen Verrieselung. Empfindlich gegen Trockenstress, Chlorose und Nematoden. Für tiefgründige, nährstoffreiche, feuchte und kalkarme (mittlere Kalk-Verträglichkeit) Böden im temperierten Klima geeignet.

333 EM (Tisserand) - Cabernet Sauvignon x V. berlandieri: Von Gustave Foëx (1844-1906) in Montpellier 1883 gezüchtet. Leichte Bewurzelung, sehr gute Kalkverträglichkeit, gute Reblaus-Resistenz, widerstandsfähig gegen Trockenheit.

41 B Mgt Chasselas x V. berlandieri: Von Alexis Millardet 1882 auf Basis der Untersuchungen durch Pierre Viala (1859-1936) gezüchtet. Schwache Wuchskraft. Durch hohe Kalkverträglichkeit besonders in Cognac und Champagne verwendet. Ausreichende Reblaus-Resistenz, nur mäßig tolerant gegenüber Trockenheit.

420 A Mgt (Millardet et de Grasset 420A) - V. berlandieri x V. riparia: von Alexis Millardet und Marquis de Grasset 1887 gezüchtet. Gute Reblaus-Resistenz, mäßige Nematoden-Festigkeit. Mittlere Kalk-Verträglichkeit, empfindlich für Staunässe, schlechte Bewurzelung. Geeignet als Wuchsbremse bzw. Ertragsreduzierung.

5 BB (Teleki 5 BB) - V. berlandieri x V. riparia; siehe unter Kober 5 BB und Teleki

5 C (Teleki 5C Geisenheim) - V. berlandieri x V. riparia: Von Andor Teleki 1922 selektiert. In Deutschland und Österreich weit verbreitet. Halbtief wurzelnd, stark wüchsig, gute Bewurzelung. Für viele Böden gut geeignet, jedoch nicht für extrem trockene, kalte und nasse Standorte. Weniger kalkverträglich als andere und empfindlich gegen Chlorose. Besonders gut geeignet für Burgunder-Sorten, Riesling, Traminer und blüteempfindliche Sorten. Ein früher Vegetationsabschluss wird begünstigt.

8 B (Teleki 8B) - V. berlandieri x V. riparia: Von Sigmund Teleki 1896 gezüchtet. In Deutschland und Österreich häufig verwendet. Halbtief wurzelnd, mittel-stark wüchsig. In höchstem Maße für kalkhaltige, aber weniger für flache, trockene Böden geeignet. Gut widerstandsfähig gegen Chlorose. Hervorragend geeignet für Riesling auf kalkhaltigem, schwerem Boden und Siegerrebe. Für reichtragende Sorten aber ungeeignet.

99 R (Richter 99) - V. berlandieri x V. riparia: Von Franz Richter 1889 gezüchtet. Stark wüchsig, wegen Spätreife ungeeignet für kühle Regionen. Hohe Reblaus-Resistenz, mäßige Nematoden-Festigkeit. Für Böden mit schlechtem Wasserabzug ungeeignet, mittlere Kalk-Verträglichkeit, mittlere Toleranz gegen Trockenstress.

AXR 1 (auch ARG 1) - Aramon x V. rupestris: von Victor Ganzin 1879 gezüchtet und wohl berühmteste und auch berüchtigte Unterlagsrebe. Siehe im Detail unter AxR 1.

Binova - Benannt nach dem Weinbaufachmann Binstadt, der diese natürliche Mutation der SO 4 (siehe unten) in einem Weingarten fand. In Deutschland und Österreich häufig verwendet. Halbtief wurzelnd, starkwüchsig. Für viele verschiedene Böden geeignet, mittlere Trockenresistenz, gute Kalk-Verträglichkeit. Widerstandsfähig gegen Chlorose und besonders gut geeignet für blüteempfindliche Sorten.

Börner (Börnerrebe) - Riparia 183 Geisenheim x Cinerea Arnold: Sie wurde vom namensgebenden Carl Börner gezüchtet und von Helmut Becker selektiert. Vor allem wird sie in Deutschland und Österreich verwendet. Halbtief wurzelnd, starkwüchsig, gut trockentolerant. Weitere Eigenschaften sind gute Eignung für mittlere bis trockene, jedoch nicht allzu kalkige Böden, äußerst chloroseanfällig bei höheren Kalkgehalten. Sie besitzt eine absolute Reblaus-Resistenz ohne Ausbildung von Nodositäten.

Dog Ridge - Sämling von V. champinii: Von Thomas V. Munson in 1900 selektiert. Sehr starke Wuchskraft, resistent gegen Pierce Disease und Nematoden, mäßig resistent gegen die Reblaus. Im Süden der USA verbreitet.

Unterlage & Unterlagsrebe - Wurzelstock und Blatt - Dog Ridge

Fercal - Berlandieri x Richter 31: Wurde 1978 am INRA in Bordeaux von R. Pouget und M. Ottenwälter speziell für kalkreiche Böden gezüchtet. Mäßig wüchsig, Pfropfung leicht möglich. Mäßige Reblaus-Resistenz, sehr widerstandsfähig gegen Chlorose, auch für reine Kalkböden geeignet, gute Resistenz gegen Trockenstress.

Harmony - 1613 Couderc O.P. x Dog Ridge O.P.: Wurde von einem um 1849 gefundenen Sämling in Hartford/Connecticut 1967 in Kalifornien selektiert. Mäßige bis starke Wuchskraft. Gute Resistenz gegen Wurzelfäule, aber geringe Reblaus-Resistenz.

Kober 5 BB (5 BB, Teleki 5 BB) - V. berlandieri x V. riparia; siehe dort.

Riparia Gloire de Montpellier (RGM) - V. riparia Selektion: Eine der ältesten um 1860 in Montpellier von Pierre Viala und R. Michel gezüchteten französischen Unterlagen. Geringe Wüchsigkeit und damit Ertragsreduktion, besondere Reblaus-Resistenz, geringe Toleranz gegenüber Trockenheit, hohe Anfälligkeit gegen Chlorose und damit nicht geeignet für Kalkböden. Besonders geeignet für Cabernet Sauvignon und Sauvignon Blanc.

Schwarzmann - V. riparia x V. rupestris: Von Schwarzmann 1891 gezüchtet. Starke Wüchsigkeit, gute Bewurzelung, eher geringe Kalktoleranz. Geeignet für tiefgründige, feuchte, kalkarme Böden. Hohe Resistenz gegen Reblaus.

SO 4 (Selection Oppenheim de Teleki No. 4) - V. berlandieri x V. riparia: Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an der Staatlichen Weinbaudomäne Oppenheim (Rheinhessen) selektiert, wobei eine im Jahre 1896 von Sigmund Teleki (1854-1910) entwickelte Kreuzung eine Rolle spielte. Sie wird vor allem in Deutschland, Österreich und Frankreich häufig verwendet. Die Unterlage besitzt eine hervorragende Reblaus- und eine mittlere Nematoden-Resistenz. Weitere Eigenschaften sind halbtief wurzelnd, mittlere Wüchsigkeit, mittlere Trockentoleranz, gute Chlorosefestigkeit. Geeignet für viele nicht zur Trockenheit neigende Böden. Besonders gilt dies für kräftige, humose Kalkböden. Durch frühe Reife werden Holzreife und dessen Frostfestigkeit begünstigt. Eine Mutation der SO 4 ist Binova (siehe oben).

weiterführende Informationen

Siehe bezüglich der Produktion von alkoholischen Getränken unter Champagner (Schaumweine), Destillation (Destillate), Spirituosen (Typen), Weinbereitung (Weine und Weintypen) und Weingesetz (weinrechtliche Belange). Alle Arbeiten und Hilfsmittel im Weinberg während des Vegetationszyklus sind unter Weingartenpflege angeführt. 

Graphik: entnommen aus Bauer/Regner/Schildberger, Weinbau,
ISBN: 978-3-70402284-4, Cadmos Verlag GmbH 
140 Ruggeri und Dog Ridge: 
UCDAVIS - Foundation Plant Services

 

Stimmen unserer Mitglieder

Dominik Trick

Das wein.plus-Lexikon ist ein umfangreiches, fachlich sehr gut recherchiertes Nachschlagewerk. Jederzeit und überall verfügbar, ist es ein unverzichtbarer Bestandteil für den Unterricht geworden, das gleichermaßen von Studierenden und mir genutzt wird. Überaus empfehlenswert!

Dominik Trick
Technischer Lehrer, staatl. geprüfter Sommelier, Hotelfachschule Heidelberg

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