Die Fähigkeit, Geruch und Geschmack von Substanzen wahrzunehmen und dies dann auch identifizieren zu können, ist ein komplexer Vorgang mit der Beteiligung mehrerer menschlicher Sinne. Die sechs Geschmacks-Empfindungen süß, sauer, salzig, bitter, umami und fettig werden über Gaumen und Zunge gustatorisch wahrgenommen. Hingegen gibt es rund 10.000 verschiedene Gerüche (Duftstoffe), die der Mensch erkennen kann bzw. bei entsprechender Erfahrung könnte. Diese werden über die Riechschleimhaut olfaktorisch wahrgenommen.
Geruchs- und Geschmacks-Empfindungen werden ergänzt mit haptischen (taktilen) bzw. trigeminalen Tast-, Temperatur- und Schmerz-Informationen aus der Mundhöhle. Das sind heiß und scharf, die nicht „gerochen“ oder „geschmeckt“, sondern „gefühlt“ werden. Die über Zunge, Gaumen und Nase empfangenen Eindrücke vermischen sich im Gehirn zu einem Gesamteindruck, sodass der definitive Ursprung nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen ist.
Es ist von der Menge der Geruchs- und Geschmacksstoffe abhängig, ab wann die Substanz wahrgenommen wird. Diese Menge ist stoffabhängig sehr unterschiedlich. Bei den Fehltöne im Wein verursachenden Stoffen genügen bereits extrem geringe Mengen im Milliardstel-Gramm-Bereich (siehe eine diesbezügliche Tabelle unter Weinfehler). Diese Grenze wird als Wahrnehmungs-Schwelle (Grenze) bezeichnet und in vier Schwellenwerte unterteilt:
Die Reizschwelle (Absolutschwelle) bezeichnet die Empfindung eines unbestimmten Geruchs bzw. Geschmacks. Man riecht und schmeckt zwar etwas, aber es ist noch keine Definition der Substanz möglich. Bei der Erkennungsschwelle wird die Substanz klar erkannt und definiert. Bei der Sättigungsschwelle ist eine weitere, über der Erkennungsschwelle liegende Steigerung nicht mehr möglich. Die bei Vergleichstests von zwei Weinen relevante Unterscheidungsschwelle ist der Unterschied in der Konzentration, ab der zusätzlich auch ein qualitativer Unterschied festgestellt werden kann.
Bei den vier Begriffen ist der Schwellenwert jener Wert, der unter festgelegten Bedingungen von zumindest 75% von Prüfern bei Weinverkostungen korrekt wahrgenommen wird. Bei diesen ist die Fähigkeit des Wahrnehmens und richtigen Identifizierens stark ausgeprägt. Das spielt bei der Weinbewertung bzw. Qualitätskontrolle eine wichtige Rolle. Konkrete Beispiele sind die Vergabe der Amtlichen Prüfnummer (Deutschland) und der Staatlichen Prüfnummer (Österreich). Beim zunehmend auch bei Weinverkostungen verwendeten Lebensmittel-Prüfungsverfahren QDA (Quantitative Deskriptive Analyse) werden auch Tests bezüglich der Wahrnehmungs-Schwellen der einzelnen Prüfer durchgeführt.
Geschmack Zunge: Copyright Peter Hermes Furian
Geschmackspore: von NEUROtiker - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Geruch: Von Chabacano - from Brain and mouth anatomy,
by Patrick J. Lynch, medical illustrator, CC BY-SA 2.5, Link
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Dr. Edgar Müller
Dozent, Önologe und Weinbauberater, Bad Kreuznach