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Weinverfälschung

adulteration of wine (GB)
falsification de vin (F)
falsificación de vino (ES)
falsificazione da vino (I)
vervalsing van wijn (N)

Unter Weinverfälschung (umgangssprachlich Pantschen) versteht man ganz bewusst gegen weingesetzliche Bestimmungen verstoßende, unkorrekte Manipulationen bei der Weinbereitung, die in täuschender bzw. betrügerischer Absicht durchgeführt werden. Dabei sollen durch verbotene Zusätze der Geschmack bzw. die Beschaffenheit „verbessert“ und damit fälschlicherweise eine bestimmte oder bessere Qualität vorgetäuscht, die Mengen von hochwertigen Weinen durch Mischen mit einfachem, billig produzierten Massenwein oder einfach auch nur mit Wasser gestreckt, sowie durch falsche Beschriftungen unter Verwendung echter Etiketten und/oder Flaschen Weine unter prestigeträchtigen Namen bzw. Jahrgängen vermarktet werden.

Einführung von Weingesetzen

Bezüglich der Frage, was genau als Weinverfälschung zu gelten hat, gab es im Verlaufe der Geschichte immer unterschiedliche und oft wechselnde Ansichten. Was heute als Pantscherei gilt, war vielleicht noch vor wenigen Jahrzehnten eine weithin geübte Praxis. Auch heute sind einige Techniken länderspezifisch und besonders in Europa gegenüber der Neuen Welt unterschiedlich geregelt. Drei signifikante Beispiele sind die Bestimmungen bezüglich Anreichern, Säuerung und Süßung. Die Einführung von strengen Weingesetzen in vielen Weinbauländern beginnend mit Ende des 19. Jahrhunderts wirkte sich positiv aus. Für einzelne Weinbaugebiete gab es sie schon vorher. Ganz verhindern konnte man damit aber Manipulationen selbstverständlich nicht.

Fälschung der Herkunft

Das 18. gilt als „Jahrhundert der Weinskandale“. Die enorme Nachfrage in England nach Portwein führte ab 1730 zu Engpässen. Deshalb wurden am Douro einfachere Weine mit Alkohol, Holundersaft, Ingwer, Pfeffer, Zimt und Zucker versetzt. Der positive Effekt war, dass 1756 das Portweingebiet zu einem der ersten herkunftsgeschützten Bereiche deklariert und strenge Gesetze beschlossen wurden. Im Bordeaux war in großem Umfang üblich, die Weine für den englischen Markt mit alkoholstarken, einfachen Weinen aus anderen Gebieten (Rhône, Spanien) zu verschneiden. Als in Frankreich durch die Reblaus- und Mehltauplage großer Weinmangel herrschte, wurde ab 1880 in großen Mengen Rosinenwein hergestellt. Im 19. Jahrhundert gab es in vielen Ländern massenhaft Fälschungen des ungarischen Tokajers, dafür gab es sogar detaillierte Rezepte.

Der große Durchbruch im Kampf gegen Fälschung begann mit der Definierung von kontrollierten Ursprungs- bzw. Herkunfts-Bezeichnungen. Diese sind ausgehend von Frankreich mit dem Appellationssystem ab Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Weinverfälschungen und Pantschereien gab es aber selbstverständlich weiterhin mit immer raffinierteren und schwer nachprüfbaren Methoden. Denn auch die Fälscher profitieren von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine besondere Form des Betruges ist es, Weine fälschlicherweise unter einem prestigeträchtigen Namen bzw. Weingut und/oder besonderem Jahrgang zu vermarkten. Ein Motiv ist, dass sehr teure Weine zunehmend auch zur Kapitalanlage verwendet werden, wofür es besonders in Japan und Russland einen Markt gibt. Solche Käufer sind bereit, bei Auktionen Liebhaberpreise zu bezahlen.

Verfälschung durch Zusatzstoffe

Die Zugabe von Wasser zu Wein zum Zwecke der Weinvermehrung ist die älteste und häufigste Praktik der Verfälschung. Man muss aber zwischen der Herstellung (bei dem dies eindeutig Betrug darstellt) und dem Genuss von Wein unterscheiden. In der Antike war das Mischen von Wein mit Wasser allgemein üblich, um den Alkoholgehalt zu minimieren und galt bei den Griechen als Zeichen kultivierter Mäßigung (siehe dazu unter Satyricon). Bis in das späte Mittelalter konnte reines Wasser auf Grund der großteils bestehenden Verseuchung der Brunnen und Quellen durch Abwässer besonders in den Städten kaum ungekocht getrunken werden. Mit Wasser vermischter Wein war daher auch aus hygienischen Gründen ein Alltagsgetränk, das in großen Mengen getrunken wurde. Das größte Problem war die Haltbarkeit, deshalb versuchte man durch Zusatz verschiedener Ingredienzien wie Destillaten, Gewürzen, Harz und Kräuteressenzen, den Wein zu konservieren und zu aromatisieren.

Bereits die Griechen in der vorchristlichen Antike kannten die konservierende Wirkung des Schwefelns,  der dafür auch heute noch unverzichtbar ist. Das war aber nicht immer so, denn im 15. Jahrhundert wurde der Zusatz verboten und bei Zuwiderhandeln streng bestraft. Die häufigsten Manipulationstechniken waren schon immer, den Säuregehalt, die Süße und die Farbe des Weines zu „verbessern“. Dafür wurden unterschiedlichste Stoffe wie Kalk, Bleiacetat, Traubenmost, Rinderblut, Salz und Zucker verwendet. Der Geistliche Johann Rasch (1540-1612) gab im 1580 herausgegebenen „Weinbuch: Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins“ bereits Ratschläge, wie man Weinfälschungen wie die Zugabe von Wasser feststellen könne.

Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins: Ratschläge bez. Weinfälschungen

Etikettenschwindel

Schon im antiken Rom war es üblich, einfachen Wein anderer Gegenden als prestigeträchtigen Falerner auszugeben. Heute werden Weine in Originalflaschen mit Originaletiketten abgefüllt, denn die Gewinnspanne ist auch bei kleinen Mengen gefälschter Weine sehr hoch. Mit heutigen Mittel ist es aber relativ einfach, täuschend echte Etiketten herzustellen (Scannen des Originals und Ändern des Jahrgangs). Bei Verwendung echter Flaschen und Etiketten hilft auch eine neu entwickelte Methode nicht, das Alter von Flaschenglas zu ermitteln. Allerdings sehr wohl, wenn keine Originalflasche, sondern nur Originaletiketten verwendet wurden. Häufigste Fälschungspraktiken sind Neuproduktion, Etikettenschwindel und Wiederbefüllen. Unter Neuproduktion versteht man die Tatsache, dass Wein, Flasche, Korken, Kapsel und Etikett neu produziert wurden und nichts mehr original ist. Es kommt auch vor, dass zum Teil echte Flaschen, Kapseln oder Etiketten verwendet werden.

Beim Etikettenschwindel wird ein schwächerer Jahrgang zu einem besonderen Jahrgang gemacht, indem einfach das Etikett getauscht wird (ist z. B. mit einem Château Lafite-Rothschild 1991 passiert, der zu einem Jahrgang 1982 mutierte). Bei älteren Jahrgängen werden oft Weine von weniger bekannten Weingütern eines großen Jahrganges oder die Zweitweine von berühmten Châteaux mit dem Etikett des Erstweins neu etikettiert. In diesem Fall stimmt die Kapsel, die Flasche ist aus dem Zeitraum des am Etikett angeführten Weines, auch die Verschmutzungen, die Jahrgangsbrandmarke und das Alter des Korkens stimmen mit dem Original überein. Beim Wiederbefüllen wird ein qualitativ schwächerer Wein in die Originalflasche gefüllt. Einen Korken kann man mittels spezieller Flaschenöffner unbeschädigt aus der Flasche ziehen. Es gibt bereits einen Markt für Flaschen-Utensilien prominenter Weine. Neue Kapseln gibt es im Internet zu kaufen. Für leere Flaschen von z. B. Château Lafite-Rothschild werden in China bis $ 500 gezahlt und diese mit zweifelhaftem Inhalt erneut verkauft.

Aufdecken von Fälschungen

Bei der Aufdeckung von Fälschungen spielen die Flaschenform (der Flaschenhals alter Flaschen ist oft konisch, Naht weist auf maschinelle Fertigung hin), Flaschenboden (Mitte der 1990er Jahren wurde mittels mikroskopisch kleiner Bohrer ein Loch in den Unterboden gebohrt , der Wein mittels Pumpe entleert, dann mit neuen anderen Wein aufgefüllt und die Flasche mittels speziellem Glaskleber verschlossen), die Beschaffenheit des Glases, das Füllniveau (das auf das Alter verweist), die Farbe der Flasche (bestimmte Weingüter verwenden bestimmte Farben und Formen), das Etikett und der Zustand des Korkens eine Rolle. Die Herausforderung besteht darin, den Wein zu untersuchen, ohne die Flasche zu öffnen. Zu diesem Zweck wird der Korken mit einer dünnen Nadel durchbohrt und eine kleine Menge Wein entnommen. Spuren von Radioaktivität können z. B. darauf hinweisen, dass der Wein nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 entstanden ist.

In Frankreich wurde ein Verfahren entwickelt, um die Authentizität alter Weinflaschen zu überprüfen. Wissenschaftler vom „Régional de Caractérisation par Analyse Nucléaire Elémentaire“ gaben im Jahre 2008 bekannt, dass mittels hochenergetischer Ionen Herkunft und Alter von Flaschenglas bestimmt werden kann. Es wurden 160 ältere Raritäten des Londoner Handelshauses Antique Wine Company analysiert. Diese Firma bietet in Zusammenarbeit mit der Universität die Prüfung alter Flaschen als Service an. Für die Aufdeckung unerlaubter Praktiken werden zunehmend DNA-Analysen entwickelt.

Forschern der INRA gelang 2002 ein Durchbruch, indem sie das Analyseverfahren Nuclear Magnetic Resonance entwickelten. Damit kann festgestellt werden, ob einem Wein Aromastoffe zugesetzt wurden. Als Maßnahme gegen Manipulation wurde vom italienischen Weingut Ornellaia erstmals das RFID-System eingesetzt. Eine neue Anlaysemethode namens Metabolomik wurde am Max-Planck-Institut getestet. Bei der Vergabe der Amtlichen Prüfnummer (Deutschland) und Staatlichen Prüfnummer (Österreich) spielt bezüglich allfälliger Weinmanipulation die relative Dichtemessung eine wichtige Rolle. Eine umfassende Diplomarbeit wurde unter dem Titel „Weinfälschungen - Leitfaden zum Erkennen von Weinplagiaten“ von Thomas Breitwieser 2008 publiziert. Dieser betreibt die Website „Lust auf Wein“. Inhalte davon wurden auch als Quelle genutzt.

spektakuläre Weinskandale

Die bekanntesten Vorfälle der Neuzeit bezüglich verbotener Praktiken und Mittel, Herkunft und Jahrgang sind unter Weinskandal angeführt. Das sind u. a. der Glykol-Skandal  (Zusatz von Diethylenglykol zwecks Süßung), sowie die unter den Stichwörtern Hardy Rodenstock (Flaschen mit den Initialen des US-Präsidenten Thomas Jefferson), Rudy Kurniawan (Fälschung von Bordeaux- und Burgund-Weinen) und William Koch (Etikettenschwindel mit Bordeauxweinen) beschriebenen.

EU-Weinhandelsabkommen

Die Frage, welche Methoden bzw. Verwendung bestimmter Mittel als Weinverfälschung zu gelten haben, gewann durch das ab dem Jahre 2006 gültige EU-Weinhandelsabkommen zwischen USA und Europäischer Union an brisanter Aktualität.

weiterführende Informationen

Bezüglich der Produktion von alkoholischen Getränken siehe unter Champagner (Schaumweine), Destillation (Destillate), Spezialweine, Spirituosen (Typen), Weinbereitung (Weine und Weintypen) und Weingesetz (weinrechtliche Belange). Alle Arbeiten und Hilfsmittel im Weinberg während des jährlichen Vegetationszyklus sind unter Weingartenpflege angeführt. 

Faksimile Rasch-Buch: erstellt von Norbert Franz-Josef Tischelmayer

Stimmen unserer Mitglieder

Prof. Dr. Walter Kutscher

Früher benötigte man eine Fülle an Lexika und Fachliteratur, um im vinophilen Berufsleben up to date zu sein. Heute gehört das Weinlexikon von wein.plus zu meinen besten Helfern, und es darf zu Recht als die „Bibel des Weinwissens“ bezeichnet werden.

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gemacht mit von unserem Autor Norbert Tischelmayer. Über das Lexikon

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