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Zwitterblüte

bisexual flower (GB)

Die kultivierte Weinrebe ist zu 99% einhäusig (monözisch) mit zwittrigen, das heißt zweigeschlechtlichen Blüten. Sie ist zu 98% selbstbefruchtend, kann aber auch fremdbefruchtet werden. Die Wildreben sind zumeist zweihäusig (diözisch), das heißt es gibt Pflanzen mit ausschließlich männlichen oder ausschließlich weiblichen Blüten, so dass dadurch eine sogenannte Selbstung (Selbstbefruchtung) ausgeschlossen ist. Bei einhäusigen Pflanzen kommen beide Geschlechter an einer Pflanze vor.

Die Blüten können getrenntgeschlechtlich sein, so dass männliche und weibliche Blüten an derselben Pflanze, aber in getrennten Blütenständen vorkommen, oder es sind hermaphroditische Zwitterblüten, in denen männliche und weibliche Sexualorgane in einer Blüte vereinigt sind. Der Rebstock ist eine bedecktsamige Pflanze. Das heißt, die Blütenknospe ist mit der Blütenhülle (Perianthium) bedeckt, die in der Zeit der Blüte geöffnet bzw. abgeworfen wird, um dadurch eine Bestäubung (und sofort daran anschließende Befruchtung) zu ermöglichen. In der Regel sind die kultivierten Rebsorten zweigeschlechtlich. Es gibt aber auch eingeschlechtliche (female) Sorten mit ausschließlich weiblichen Blütenorganen.

Blüte - Graphik

Das Bild links zeigt eine geschlossene Rebblüte, das Bild Mitte das Abwerfen der Käppchen vor der Bestäubung und das Bild rechts die Blütenknospe in voller Blüte kurz vor der Bestäubung bzw. Befruchtung. 1 = fünflappige Krone (Käppchen), 2 = Narbe, 3 = Staubbeutel, 4 = Staubfaden, 5 = Griffel, 6 = Fruchtknoten, 7 = Nektarien (Honigdrüsen), 8 = Kelch.

Geschlechtsorgane einer Blütenpflanze

Es gibt drei Möglichkeiten, wie die sexuellen Organe bei Pflanzen angeordnet sind. Bei der ersten Möglichkeit sind die „Geschlechtsteile“ getrennt auf zwei verschiedenen Pflanzen, zum Beispiel ein Baum mit nur funktionsfähigen männlichen Teilen (und verkümmerten weiblichen Teilen), und ein zweiter Baum mit nur funktionsfähigen weiblichen Teilen (und verkümmerten männlichen). Nun müssen die zwei „zusammenkommen“. Die Pflanzen sind auf fremde Hilfe angewiesen, das heißt auf Wind oder Insekten. Viele Blüten werden deshalb nicht befruchtet und die Fruchtausbeute kann relativ gering sein. Solche Pflanzen nennt man übrigens „zweihäusig“, denn die männlichen und die weiblichen Sexualorgane befinden sich ja sozusagen jeweils auf einem eigenen „Haus“ (Pflanze). Diese Form kommt bei den Weinreben in der Regel bei den meisten Wildreben vor.

Die zweite Möglichkeit sind Pflanzen, wo die Geschlechtsteile zwar getrennt, aber auf derselben Pflanze vorhanden sind: Auf Zweig A gibt es einen männlichen Teil, und auf Zweig B einen weiblichen Teil. Da ist das Zusammenkommen leichter, aber immer noch schwierig, da die Pflanze ebenso auf fremde Hilfe wie zum Beispiel Wind oder Bienen angewiesen ist. Solche Pflanzen nennt man „einhäusig“, da sich beide Sexualorgane auf einem „Haus“ befinden.

Die dritte Möglichkeit sind Zwitterblüten (Hermaphroditen). Hier ist auf der Pflanze der männliche Sexualeil (Samen = Pollen) und der weibliche Sexualteil (Narbe) in einem Organ vereinigt. Das ist bei 99% der kultivierten Weinreben der Fall. Hier ist die Pflanze auf eine fremde Hilfe überhaupt nicht angewiesen. Die Zwitterblüten weisen nämlich einen extrem hohen Selbstbefruchtungsgrad von um die 98% auf. Zur Zeit der Blüte öffnet sich der männliche Pollensack, die Pollen werden freigegeben und von der darunter liegenden klebrigen weiblichen Narbe aufgefangen. Eine unebdingte Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht selbststeril ist, was bei nicht kultivierten Pflanzen oft der Fall ist. Sie schützt sich damit sozusagen vor einer (zumeist negativen) Inzucht; nur eine Fremdbefruchtung führt zu positiven Heterosis-Effekten.

Blüte - vor dem Abwurf und Vollblüte mit 50% befruchteten

Das Bild links oben zeigt das Geschein vor dem Abwurf und das Bild rechts oben eine Vollblüte mit 50% befruchteten Knospen.

Befruchtung

Erfolgt während der Blüte die Befruchtung durch Pollen desselben Rebstocks an einer (Autogamie) oder zwischen zwei Blüten (Geitonogamie), spricht man von Selbstbefruchtung oder Selbstung. Sind zwei verschiedene Rebstöcke beteiligt (egal ob gleiche oder fremde Sorte) spricht man von Fremdbefruchtung (Xenogamie). Für den Fruchtansatz und die Beerenentwicklung ist es weitgehend unerheblich, ob der Same selbst oder fremdbestäubt wurde. Die kultivierten Reben sind aber in der Regel nicht selbststeril. Großteils findet eine Selbstbefruchtung innerhalb der Zwitterblüte statt.

Die problemlose Selbstbefruchtung ist aber bei den Rebsorten unterschiedlich. Manche Sorten haben nur eine eingeschränkte Fähigkeit dazu, das sind unter anderem Grünling (Adelfränkisch) und manche Traminer-Klone. Solche Sorten sind dann oft parthenokarpisch (jungfernfrüchtig) und damit kernlos (ohne Samen). Sie brauchen Pollenspender, die früher im Mischsatz in den Weingärten bunt gemischt angeordnet waren. In sortenreinen Anlagen machen sie Probleme, besonders bei schlechtem Blühwetter, wenn die Pollen nicht weit genug fliegen und vom Regen aus der Luft ausgewaschen werden. Eine auch bei regnerischen bzw. nassem Wetter guter Selbstbestäuber ist zum Beispiel der Welschriesling.

Erst durch die Befruchtung kann aus jeder einzelnen Blüte eine einzelne Beere entstehen, was aber nie zu 100% der Fall ist. Findet keine Befruchtung statt, dann gibt es auch keine Beere, bei solchen Blüten kommt es zum Verrieseln. In einer befruchteten Beere sind die bis fünf (selten sechs) Embryos = Kerne potentiell für jeweils eine neue Sorte bereit. Dort sind alle Gene der zwei Elternteile weitergegeben worden. War es eine Selbstbefruchtung, dann ist das zum Beispiel Grüner Veltliner x Grüner Veltliner. Sind die Pollen aber vom Nachbargarten gekommen, wo ein Blauburgunder steht, dann ist das Grüner Veltliner x Blauburgunder (die Mutter wird immer zuerst genannt). Dieses natürliche Kreuzungsergebnis ist aber wie gesagt nur potentiell (schlummernd) vorhanden und kommt im Weinbau nicht zum Tragen. Die Weintrauben entsprechen äußerlich und von den sortentypischen Eigenschaften immer zu 100% der Mutter, unabhängig der väterlichen Gene in den Traubenkernen.

Entstehung von neuen Rebsorten

Die Weinrebe ist eine diploide Pflanze. Die einzelnen Traubenkerne besitzen dadurch verschiedene Erbanlagen. Das bedeutet, dass die einzelnen Traubenkerne (auch in derselben Beere) beim Aussäen unterschiedliche Rebsorten ergeben würden. Der Unterschied ergibt sich durch eine jeweils neue Zusammenstellung der elterlichen Chromosome.

Nur dann, wenn nun so ein Traubenkern einer Weinbeere in den Boden gelangt, dort zu keimen beginnt, zu einem Sämling (jungen Rebstock) heranwächst, es dann zur Blüte kommt, eine Befruchtung stattfindet und sich schließlich Weintrauben bilden, erst dann ist dieser Traubenkern das nun verwirklichte Ergebnis einer bis dahin nur potentiell vorhandenen Möglichkeit. Eine neue Rebsorte mit gegebenenfalls neuen Eigenschaften entsteht dann, wenn die Befruchtung durch einen fremden Rebstock einer anderen Rebsorte erfolgte. Auf diese Art und Weise wurden in vielen Tausenden Jahren die derzeit rund 8.000 bis 10.000 Rebsorten durch spontane bzw. natürliche Kreuzungen gebildet. Im Prinzip werden die Gene auch dann neu gemischt, wenn es sich um zwei Rebstöcke derselben Sorte handelt, die genetischen Unterschiede sind dann aber gering.

Bei einer Neuzüchtung wird durch den Züchter sozusagen die Natur nachgeahmt. Zuerst wird die Muttersorte durch Entfernen des männlichen Blütenteils kastriert, um eine Selbstbefruchtung zu verhindern. Dann entnimmt man Pollen von der gewünschten Vatersorte und bringt sie auf die Narbe der Mutter. Der ausgewachsenen Beere entnimmt man die Kerne, setzt sie in den Boden und zieht einen neuen Rebstock heran. Das macht man mit ein paar hundert Beeren und selektiert abhängig von den gewünschten Eigenschaften so lange immer wieder, bis die besten bzw. zutreffendsten Ergebnisse übrigbleiben.

weiterführende Informationen

Siehe auch unter Blüte, Chromosom, Generative Vermehrung, Vegetative Vermehrung, Kreuzung und Züchtung. Alle Hilfsmittel, Arbeiten und Maßnahmen im Weinberg während des jährlichen Vegetationszyklus findet man unter dem Stichwort Weingartenpflege. Eine komplette Aufstellung rebsortenrelevanter Stichwörter ist unter Weinrebe enthalten.

Graphik: Entnommen aus Bauer/Regner/Schildberger, Weinbau,
ISBN: 978-3-70402284-4 Cadmos Verlag GmbH

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Markus J. Eser

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Markus J. Eser
Weinakademiker und Herausgeber „Der Weinkalender“

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